Ratingen: Schulbücher auf langen Reisen
Unsinn: Die Lieferung muss europaweit ausgeschrieben werden, dann wird gelost. Die Grünen fordern deshalb eine Aufteilung. Kritik an der Stadt gibt es von den Buchhändlern.
Ratingen. Der Wahnsinn hat Methode - und Vorschriften. Wenn am 11. August die Ratinger Pennäler von ihren Klassenlehrern - egal ob in der Grundschule oder im Gymnasium - neue Schulbücher ausgehändigt bekommen, wurden die aus Sachsen in die Dumeklemmerstadt geliefert. Nicht weil dort die Schulbuchverlage ihre Druckereien haben, sondern weil ein Buchhändler das Glück hatte, für die Belieferung der Ratinger Schulen ausgelost worden zu sein.
In der Tat: Bei diesem Auftrag entscheidet das Los, weil vom Preis und den Leistungen her alle Anbieter ebenbürtig sind. Grund: Die Beschaffung der Schulbücher muss europaweit ausgeschrieben werden.
Dazu ist die Kommune wegen des Auftragswertes - deutlich über 300 000 Euro - gezwungen, obwohl durch die in Deutschland bestehende Buchpreisbindung überhaupt kein Wettbewerb der Anbieter möglich ist. Das führt zu der grotesken Situation, dass bereits bei der Ausschreibung klar ist, dass der Auftrag nur per Los zu vergeben ist.
Die Fraktion der Grünen hat deshalb jetzt beantragt, für das Schuljahr 2009/2010 die Vergabe für die Lieferung der Schulbücher in mehrere Lose aufzuteilen. "In fast allen anderen Kommunen wird das so gehandhabt, um die Chancen der kleineren und örtlichen Buchhandlungen zu erhöhen. Für Ratingen hätte dies bedeutet, den Auftrag in diesem Jahr auf sieben Lose zu verteilen", begründet Fraktionsvorsitzende Susanne Stocks.
"Eine Aufteilung ist rechtlich nicht zulässig", widerspricht Schuldezernent Rolf Steuwe. Das habe er von Experten für Vergaberecht prüfen lassen. Bei Verstößen könne die Vergabe angefochten werden. Steuwe selbst hält die europaweite Ausschreibung und den Schulbuchtourismus für "ausgemachten Unsinn", man sei aber aus rechtlichen Gründen daran gebunden.
Bei den Ratinger Buchhandlungen kommt dieses Verfahren überhaupt nicht gut an. Einmal haben sich die Händler zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen, um am Bieterverfahren teilzunehmen. Diesmal hatte man aber nicht mitgemacht, nachdem die Buchhandlung Marlene Lehr vor einem Jahr geschlossen hatte.
Der Hauptgrund läge aber an den Bedingungen, die seitens der Stadt gefordert werden, wenn man mitbieten möchte. Da müssen die Händler unter anderem einen Fuhrpark nachweisen, ebenso eine Hotline und eine Homepage. "Das geht völlig an der Realität vorbei", kritisiert ein Buchhändler das Verhalten der Stadt. "Wir haben das jahrzehntelang zur Zufriedenheit aller gemacht. Das ist nicht schön für den Ratinger Buchhandel", sagt Gertrud Claus von der Altstadtbuchhandlung.
Aus Sicht der Händler wären Alternativen durchaus möglich: Man könne den Schulen ein Budget zuteilen, mit dem sie die benötigten Bücher anschaffen können. Dem widerspricht Steuwe: Schulen seien keine "rechtsfähigen Anstalten", die solche Geschäfte machen dürfen. Die Buchhändler sehen in einer Aufteilung in Lose einen weiteren Ausweg. Dabei müsste die Stadt aber auf den Höchstrabatt von 15Prozent verzichten, der beim kompletten Gesamtauftrag an die Stadt zu zahlen wäre. Bei kleineren Aufträgen würde auch der Rabatt kleiner ausfallen. Dafür bekäme die Stadt aber über die Gewerbesteuer aus einer anderen Ecke wieder etwas in die Stadtkasse.