Ratingen: Schulen in Not - Für kranke Lehrer gibt es keinen Ersatz

Wenn Kollegen länger ausfallen oder in Elternzeit gehen, ist ein Regelunterricht oft nicht mehr möglich. Beim Personal gibt es keine Reserven mehr.

Ratingen. "Das haben wir Frau von der Leyen zu verdanken." Ganz ernst meint Detlev Lewen diesen Satz nicht, das Thema, das er berührt, ist allerdings sehr ernst. Der Direktor des Kopernikus-Gymnasiums steht mit seinem Personalbestand seit Wochen mit dem Rücken an der Wand: "Wir können nur noch den Mangel verwalten, aber nichts mehr gestalten."

Vier Kolleginnen und ein Kollege gehen in Elternzeit, eine Kollegin ist zu Schuljahresbeginn in Frühpension gegangen, drei scheiden in wenigen Wochen zum Halbjahr altersbedingt aus. Fünf Tage nach Schulbeginn meldete sich eine Kollegin überraschend ab: Sie hatte ein Kind adoptiert. Dazu kommen Langzeiterkrankte, die wochenlang ausfallen. Ein Regelunterricht ist da unmöglich - es können nur noch Löcher gestopft werden.

Vor den Herbstferien musste Lewen wegen der Klassen- und Studienfahrten zeitweise auf ein Drittel seines Kollegiums verzichten. "Das ist keine Pädagogik mehr, sondern nur noch Numerik - wer kann wie viel von welchem Unterricht übernehmen?" Verschärfend kommt dazu, dass für die Fächer der ausscheidenden Kollegen nicht so schnell Ersatz beschafft werden kann.

Bei Mathe, Englisch, Sport und Kunst, aber auch Religion "brennt" es am meisten. Die verbliebenen Kollegen versuchen, die Ausfälle so weit wie möglich aufzufangen, leisten Überstunden. Um überhaupt den Regelunterricht sicherstellen zu können, mussten schon (freiwillige) Förderstunden gestrichen werden. Davon sind dann aber vor allem jene Klassen betroffen, die es wegen des Turbo-Abiturs besonders nötig hätten.

Entspannung ist nicht in Sicht: Zum Halbjahrwechsel kommt eine Lehrerin aus der Elternzeit zurück, allerdings mit reduzierter Stundenzahl. Früher war bei der Personalberechnung noch eine vierprozentige Reserve berücksichtigt, die gibt es schon lange nicht mehr. Lewen: "Man kann nichts planen - und es darf keiner krank werden."

Sein Kollege Ernst Klein, Leiter des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums, kann das gleiche Lied singen, nur etwas leiser. Auch hier bringen Kollegen, die für einen Monat oder länger ausfallen, den Unterrichtsplan durcheinander. "Das lässt sich nicht kompensieren", weiß Klein.

Und eine Vertretung über das Landesprogramm "Geld statt Stellen" sei in so kurzer Zeit nicht machbar. "Es ist auch gar nicht sicher, ob es für das Fach, das man braucht, auch einen potenziellen Bewerber gibt." Auch Klein sieht Mathe und Englisch als Mangelfächer, große Probleme werde es bei Latein und Physik geben.

Alle Stellen besetzt, aber keinerlei Reserven hat die Martin-Luther-King-Gesamtschule. Zurzeit müssen wir durch Ausfälle rund 100 Stunden durch Mehrarbeit auffangen, so Direktor Michael Kreft. Er selbst macht seit Wochen Vertretung in einer Oberstufe.

"Wir können die Schüler doch nicht wochenlang ohne Unterricht lassen." Angst hat Kreft vor neuen Ausfällen: "Die Grippe darf in diesem Jahr nicht stattfinden." Er sieht die Misere erst am Anfang: Wenn in einigen Jahren ein ganzer Schwung Lehrer pensioniert wird, gehe es mit den Problemen erst richtig los: "Wir werden dann massive Nachwuchsprobleme haben. Wer wird denn heute noch Lehrer?"

"Holland in Not" herrscht auch an den Realschulen. "Auf dem Papier sieht alles gut aus, die Wirklichkeit ist aber anders", klärt Angelika Melzer, Leiterin der Friedrich-Ebert-Realschule, auf. Für Kolleginnen im Erziehungsjahr gebe es Ersatz, für Kranke aber nicht. Und derzeit fallen zwei Kollegen wegen Hüft- und Knieoperationen für Monate aus - ohne Ersatz.

Ihr Kollege Werner Schoch an der Werner-Heisenberg-Realschule ist seit den Sommerferien mehr oder weniger erfolgreich dabei, Personallöcher zu stopfen und umzuschichten: Zwei ausgefallene Kollegen bedeuten den Verzicht auf zehn Prozent des Personals. Als dann vor den Herbstferien noch vier weitere Lehrer auf Klassenfahrt mussten, gab es in manchen Klassen fast nur noch Vertretungen. Bis auf Kunst werde jetzt wieder alles normal unterrichtet, sagt Schoch. Eltern klagen dagegen nach wie vor über massiven Unterrichtsausfall.