Ratingen: Überflüssig oder überfällig – Kontroverse um die Westbahn
Debatte: Ratingens Unternehmer sprechen sich für die Reaktivierung aus, Kritiker halten sie dagegen für teure Eisenbahnromantik.
Ratingen. Für vier Fünftel der Ratinger Unternehmer ist die Reaktivierung der Westbahn für den Personenverkehr ein erheblicher Standortfaktor. Das hat eine Blitzumfrage ergeben, die der Unternehmensverband Ratingen (UVR) bei seinen Mitgliedern durchgeführt hat.
Ewald Dietz, Tiefenbroicher Bürger und Reiseleiter im Lintorfer Heimatverein, hält gar nichts von einer Wiederbelebung der alten Strecke. Nicht zu Gunsten des Güterverkehrs sei der Personentransport vor 30 Jahren auf dieser Strecke eingestellt worden, sondern ausschließlich wegen Unrentabilität. "Außerdem führte die Strecke gar nicht bis Duisburg Hauptbahnhof. Um dort hinzukommen, musste man vorher in Wedau umsteigen."
Viermal am Tag sei der Zug damals gefahren, an Sonntagen gar nur zweimal. In seiner Jugendzeit habe er öfter mal den Zug genutzt, doch die Fahrgäste seien immer weniger geworden. In den letzten Monaten des Betriebes verkehrten nur noch Zuggespanne, die den Namen Personenzug kaum mehr verdienten - eine Lok, ein Wagon, wie auf dem Foto von 1981, so Dietz
Dietz weiß auch, warum es damals immer weniger Passagiere wurden. "Die Rheinbahn baute kontinuierlich ihr Streckennetz aus, das war für die meisten viel bequemer."
Deshalb hegt er auch große Zweifel, ob in der Debatte um die Wiederbelebung der Bahn überhaupt mit realistischen Zahlen gearbeitet werde. "Glaubt man wirklich, ein Tiefenbroicher würde zum Bahndamm laufen, um nach Düsseldorf Hauptbahnhof zu kommen?" Das gehe auch mit der Rheinbahn, und die fahre auch spät abends noch.
Denn bei allen Fahrzeitrechnereien werde nicht berücksichtigt, dass man vom Lintorfer Norden oder Osten mindestens 20 Minuten zum Lintorfer Bahnhof bräuchte, und dort erst einmal Wartezeiten in Kauf nehmen müsste. 500.000 Zugkilometer pro Jahr und täglich 13.000 Fahrgäste - auch diese Zahlen zweifelt Dietz an: "Gab es eine fundierte Analyse, die zeigt, wer wann wohin fährt?" Und über die laufenden Kosten wisse man auch nichts Genaues. 27Millionen Euro Anschubfinanzierung seien viel Geld für "Eisenbahnromantik".
Der Unternehmensverband will dagegen alle Bemühungen unterstützen, die zur baldigen Wiedereröffnung der Westbahn führen. "Bei einer Reaktivierung würde ein nicht unerheblicher Teil der Mitarbeiter, die heute mit dem Auto zur Arbeit kommen, auf den öffentlichen Personenverkehr überwechseln", sagt UVR-Vorsitzender Jürgen Winkelmann. Gerade Unternehmen, die viele Mitarbeiter ohne eigenen Pkw hätten, seien einhellig dafür.
Bei Firmen, die an der Peripherie liegen und deshalb sowieso nur mit dem Auto zu erreichen sind, spielt das Thema Westbahn nur eine geringe Rolle. Für die Mittelständler in Lintorf und Tiefenbroich hätte die Anbindung aus Sicht des UVR aber nur Vorteile.