Wülfrath: Ein Wanderer testet seine Grenzen aus
Nach Teil 1 im vergangenen Jahr will Hermann-Josef Roder jetzt den restlichen Jakobsweg gehen.
Wülfrath. Es ist keine spirituelle Reise, die Hermann-Josef Roder vor sich hat. "Es ist ein Weg, der mir meine Möglichkeiten, aber auch Grenzen zeigt. Ich trete ihn an aus Dankbarkeit für all die guten Jahre, für Wohlstand, Frieden und meine Familie", erzählt der 62-Jährige. Im Mai des vergangenen Jahres ist er einen Teil des Camino Frances, des Jakobswegs, gegangen; in wenigen Tagen wird er den Pilgerweg fortsetzen.
"Der erste Abschnitt begann im französischen Saint Jean Pied de Port am Fuß der Pyrenäen und verlief über 300 Kilometer bis Burgos. Für diese Strecke habe ich 16 Tage gebraucht." Der Rest der insgesamt 805 Kilometer langen Strecke steht ihm nun bevor. "Es sind rund 500 Kilometer von Burgos bis Santiago de Compostella."
Vier Wochen plant Roder für den Weg ein. "Ich hoffe, alles klappt so wie im Vorjahr", sagt er. "Keine Blasen, kein Muskelkater, keine Erkältung trotz der unterschiedlichen Wetterlagen auf den Höhen und in den Tälern im Norden Spaniens", erinnert er sich. "Man denkt immer an Hitze, aber Wind, Regen, Nebel und Kälte gibt es im Frühjahr durch den Atlantik viel häufiger."
Deshalb gilt es, sich gut vorzubereiten. "Etwas sportliches Training ist wichtig - auch ich bin schließlich keine Sportskanone. Unterwegs habe ich Triathleten getroffen und sportliche Hungerhaken, aber auch Menschen, die sich im Nebel verirrten und sich am ersten Tag gleich übernahmen. Das Ergebnis waren kaputte Gelenke und geschundene Füße.
Ich habe auf meinen Körper gehört: Wenn es nicht ging, habe ich langsamer gemacht. Wenn Kraft da war, habe ich sie genutzt." Unverzichtbar sind auch eine gute Ausrüstung, ein Pilgerausweis und ein Unterkunftsverzeichnis. An seine erste Nacht erinnert sich Roder noch genau. "Es war schwül, es gewitterte und regnete. Oropax im Ohr ließen mich schlafen. Am Morgen bekam ich kein Frühstück - dafür aber meinen ersten Stempel mit Hahn in den Pilgerausweis", erzählt er.
Hermann-Josef Roder
Den Weg zu finden, war einfacher als gedacht. "Man musste nur dem Symbol der gelben Muschel folgen - oder den anderen Pilgern." Es waren so viele unterwegs, dass der Aufbruch in aller Frühe nötig war, um abends in den Herbergen einen Schlafplatz zu ergattern. "Damit geht viel Gelassenheit und Ruhe für den Weg verloren", bedauert Roder. Nächte in Schlafsälen mit 120 Betten, zwei Toiletten und zwei Duschen waren keine Seltenheit. Trotzdem: "Es gab kein Gedränge, alles ging gesittet und rücksichtsvoll zu." Unterwegs grüßte man einander mit einem freundlichen Bon Camino. "Café con leche und ein bocadillo mit Schinken oder Kartoffellomelette wurden mein regelmäßiges spätes Frühstück. Es fehlte mir an nichts."
Der Weg wurde von Tag zu Tag leichter, der Rucksack ein Teil des eigenen Körpers. "Legte man ihn ab, fehlte etwas." Am 11. Mai beginnt für Hermann-Josef Roder der zweiter Teil des aufregenden Wegs.