Rohdenhaus lebt: Ein Dorf kämpft gegen sein Image

Der Stadtteil ist eng mit dem Kalkwerk verbunden – und blickt gespannt in die Zukunft.

Wülfrath. Weit über Rohdenhaus schaut er hinweg, der weiße Turm, der über die Siedlung wacht. Stellen wir uns einen Moment vor, das Kalkwerk stünde nicht an seinem angestammten Platz. Ein Rohdenhaus ohne die rauschende und manchmal krachende Klangkulisse, die die Anwohner längst überhören.

Ohne weißen Kalkstaub, der dank Filtern in den vergangenen Jahren weniger geworden ist. Und ohne die vielen Mitarbeiter und Ehemaligen von Kalk. Nein, Rohdenhaus ohne "das Werk" funktioniert irgendwie nicht.

"1903 gründet August Thyssen die Rheinischen Kalksteinwerke. In den zwanziger Jahren wurden dann die ersten Arbeiterwohnungen gebaut", sagt Jupp Clemens über die beiden Häuserreihen an der Flandersbacher Straße, von denen die vordere heute als "historische Arbeitersiedlung" unter Denkmalschutz steht. Clemens (81) und Karl Padurschel (71), die beide seit jeher in Rohdenhaus wohnen und mehr als 40 Jahre lang bei Kalk beschäftigt waren, kennen ihren Stadtteil durch und durch.

"Damals hat Rohdenhaus sich noch komplett mit dem Werk identifiziert. Die Kinder haben später auch dort angefangen. Heute wohnen hier nur noch wenige Mitarbeiter", berichtet Padurschel vom Strukturwandel, der sich auch auf die Siedlung auswirkt. Auch seine Enkelin Lea Feucht (12) möchte später nicht unbedingt dort arbeiten.

Plötzlich unterbricht ein fernes Krachen das Gespräch im Garten der Padurschels. "Das war eine Sprengung. Früher hätte da alles gewackelt", sagt der Hausherr. Padurschel bedauert vor allem, dass immer mehr Läden, Gaststätten und Institutionen Rohdenhaus verlassen. "Für junge Familien besteht wenig Anreiz, herzuziehen", stellt er fest.

Der Anreiz, in den 1960er- und 70er-Jahren nach Rohdenhaus zu kommen, war für viele Menschen aus dem Ausland die Aussicht auf einen festen Arbeitsplatz. Der Vater von Sevgi Aslantas kam so 1971 nach Wülfrath. Für die Familie ist der Stadtteil Rohdenhaus zur Heimat geworden. "Es ist so gemütlich hier", sagt die 39-Jährige. "Aber früher war ein bisschen mehr Leben drin", meint die Mutter von drei Kindern.

"Rohdenhaus lebt noch", widerspricht Alexander Faoro, der Vorsitzende des Bürgervereins. Gegründet aus den Diskussionen um die Grundschulschließung im August 2008, haben die mittlerweile 107 Mitglieder des Vereins in der ehemaligen katholischen Schule das Stadtteilcafé aufgebaut.

Ob Fortführung des Jugendclubs, Seniorenstammtisch, Gymnastikkurse oder Proben des "Theater Minestrone" - regelmäßig ist dort was los. "Die Wahrnehmung von außen ist leider oft eine andere", sagt Faoro. Er findet, dass sein Stadtteil unterbewertet ist. Der Verein hofft, dass mithilfe der Politik die Abwanderungsspirale irgendwann gestoppt werden kann.

Dabei hat Rohdenhaus Vorteile zuhauf. Die Lage zum Beispiel: Durchaus im Grünen, aber nah an Stadtzentren. Auch das familiäre Miteinander ist ein Vorteil. "Hier geht man nicht einfach aneinander vorbei", sagt der zweite Vorsitzende des Bürgervereins Thorsten Balk (45).

Das finden auch Susanne und Volker Dumpich. "Man wird auf der Straße gegrüßt, die Menschen sind sehr hilfsbereit", sagen die beiden, die Ende 2006 zur Siedlerstraße zogen. Ihre Erwartung, mehr Kontakt zu ihren Nachbarn zu bekommen, haben sich erfüllt: "Rohdenhaus hat Seele."