Tedrive: Appelle, Drohkulissen und ein verurteiltes Zeitspiel

Mitbestimmungswidrig: Das Arbeitsgericht kritisiert die Werksleitung wegen der angeordneten Mehrarbeit. Einen vorgeschlagenen Vergleich folgte der Betriebsrat nicht. Nun wurden Leiharbeiter ohne Zustimmung der Arbeitnehmervertretung eingestellt.

Wülfrath. Nach 76 Minuten fällt die 8. Kammer des Arbeitsgerichts Wuppertal den Beschluss: Tedrive darf an den Wochenenden 22./23. und 29./30. November keine Mehrarbeit anordnen. Bei Verstoß droht ein Ordnungsgeld von 250000 Euro pro Fall. Diese einstweilige Verfügung hatte der Betriebsrat gefordert. Doch es bleibt nur ein Teilerfolg. Denn: Am kommenden Wochenende dürfen Zusatzschichten gefahren werden. Darüber hinaus rät das Amtsgericht, die Einigungsstelle anzurufen. Richterin Bettina Dahlmann lässt in einer Sache aber keinen Zweifel aufkommen: Die Tedrive-Werksleitung hat mit der Anordnung von Mehrarbeit ohne die Zustimmung des Betriebsrats gegen geltendes Mitbestimmungsrecht verstoßen.

Im Rückblick dürfte die Verhandlung im Zimmer A330 den Geschäftsführern von Tedrive Unbehagen bereiten. Nicht nur, weil ihr Fehlverhalten attestiert wurde. Auch die Tatsache, dass der Betriebsrat gegen jeden Appell der Richterin, sich auf einen Vergleich einzulassen, weist darauf hin, dass in angespannten Situation die Arbeitnehmervertreter Stärke und Kampfbereitschaft beweisen wollten.

Tedrive kündigt an, mit dem Abbau von 280 Stellen die Belegschaft fast zu halbieren. Zu diesem Zeitpunkt will das Unternehmen Zusatzschichten am Wochenende fahren. Der Betriebsrat stimmt dem nicht zu. Dennoch wird diese Mehrarbeit angeordnet. Dagegen versuchen die Arbeitnehmer eine einstweilige Verfügung erwirken. In diesem ungenehmigten, rechtswidrigen Raum gibt es in diesem Monat bereits zwei Wochenend-Sonderschichten.

Richterin Dahlmann fasst ihre ersten Erkenntnisse zusammen: Die Anordnung verstieß gegen die Mitbestimmungspflicht. Dass die Geschäftsführung seither nicht versucht hat, ein Einigungsstellenverfahren einzuleiten, bezeichnet sie als Spiel auf Zeit. "Ein klares Versäumnis. Sie hatten doch zwei Wochen Zeit." Der Rechtsvertreter Tedrives, Anwalt Steffen Richtscheid, nickt kommentarlos. Die Richterin wundert sich, dass es bei dem Unternehmen keine Rahmenbetriebsvereinbarung gibt: "Sie sind Automobilzulieferer. Und in dieser Branche sollte es doch eine Vereinbarung geben, die das Vorgehen regelt, wenn es brennt." Trotz der "klaren Versäumnisse" regt sie einen Vergleich an.

"Reden und eine Lösung finden" will Rechtsanwalt Richtscheid. Man müsse und könne doch über alles reden Auch die Zahl der 280 abzubauenden Stellen, müsse so nicht stehen bleiben. Dann aber baut er eine Drohkulisse auf: Würde die ablehnende Betriebsratshaltung zu Produktionsausfällen führen, "reden wir nicht mehr über die Sanierung des Standorts, sondern über die Stilllegung."

Aktuell geht es um die Produktion von Stahlgehäusen für Ford. Pro Sonderschicht sollen 476 Stück produziert werden. Die dafür notwendigen neuen Maschinen sind laut Personalleiter Peter Grochalski noch richtig eingestellt. Es werde zuviel Ausschuss produziert. Er und sein Anwalt warnen vor hohen Konventionalstrafen für Tedrive, komme man dem Auftrag nicht nach. "Vielleicht will Ford dann auch sein Zulieferersystem bereinigen."

Richterin Dahlmann schlägt einen Vergleich vor, der das mitbestimmungswidrige Verhalten verurteilt. Tedrive solle 5000Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Im Gegenzug sollten die drei nächsten Sonntagsdienste genehmigt und die Einigungsstelle angerufen werden. Angesichts der wiederholten Verstöße der Werksleitung - aktuell wurden ohne Zustimmung des Betriebsrats Leiharbeiter eingestellt - will sich der Arbeitnehmer-Rechtsanwalt Dirk Schabram darauf nicht einlassen. Daran ändern auch die Appelle der Richterin nichts, die für diese "Blockade-Haltung" der Betriebsrats-Seite kein Verständnis hat. Und so kommt’s nach drei Unterbrechungen und 76 Minuten zum Ermessensentscheid, der das Verfehlen der Unternehmenleitung festhält, aber auch unternehmerische Interessen berücksichtigt - und die beiden Seiten zum Dialog auffordert, in der kommenden Woche vor der Einigungsstelle.