Wülfrath: Natur und Industrie hautnah

Die Veranstaltung „Kalk und mehr“ zieht Wandervögel nicht nur aus Wülfrath an.

Wülfrath. Tim (9) und Leon (8) haben sich mit dicken Stöcken aus dem Wald bewaffnet. "Geht’s jetzt endlich los", drängen die beiden. Ein bisschen erstaunt sind die Eltern schon. Doch die Kinder freuen sich auf die Wanderung über Stock und Stein auf den Faden des Kalkabbaus. "Kalk und mehr" ist das Thema der ersten Wanderung, die der Förderverein Zeittunnel und der Scala-Verlag ausgearbeitet haben.

Erste Überraschung: Über 80 Personen wandern mit, längst nicht nur aus Wülfrath und Velbert. Aus Ratingen, aus Düsseldorf, aus Haan sind sie gekommen. "Die Natur erleben und etwas über die Geschichte Wülfraths erfahren, das ist eine ideale Kombination", sagt CDU-Bürgermeister-Kandidat Thomas Görtz, der Sohn Valentin im Sportkinderwagen mit schiebt.

Erster Höhepunkt: Der tiefe Blick in den Steinbruch Schlupkothen.1959 ist der Bruch stillgelegt worden. Die Natur hat sich ihren Raum zurückerobert. "Hier sind auch Eisvögel zu sehen", sagt Claudia Schatte, museumspädagogische Mitarbeiterin im Zeittunnel. "Die Plattform müsste aber mal renoviert werden", befinden die Wanderer.

Doch der Ausblick auf den See und die steilen Klippen ist gigantisch. Auch Leon und Tim drängen zum Aussichtspunkt. "Der See ist nur drei bis fünf Meter tief", erläutert Thomas Werner von Rheinkalk, Vorsitzender der Fördervereins Zeittunnel. "Doch baden im See und springen von der Klippe ist gefährlich", warnt er.

Vorbei an Farnen, Taubnesseln, wilden Erdbeeren, Brombeersträuchern, Birken- und Buchenhainen geht es über Stufen und an Seilen hinauf nach Kocherscheidt. Familie Schatte hatte dort kürzlich eine botanische Wanderung mitgemacht. Leon hat gut aufgepasst. Er weiß vieles über Knoblauchrauke, Taubnesseln, Kletten und Tannenzapfen, bespricht es mit Freund Tim.

Aufpassen: Jetzt die Wülfrather Straße zur Dieselstraße überqueren. Jetzt werden die Spuren des Kalkes sichtbar. Der Blick fällt auf das Kalkwerk Flandersbach. "Wir sind in der Neuzeit 2008 angekommen",sagt Thomas Werner, der zuvor über die Geschichte des Kalkabbaus seit 1833 von dort ansässigen Bauern berichtet hat.

Es war 1896 August Thyssen, der den Bruch Schlupkothen erworben hatte. Damit begann der professionelle Abbau. Größter Abnehmer des Wülfrather Kalks ist die Stahlindustrie. "Kalk ist in vielen Produkten enthalten", sagt Werner, "in der Zahnpasta, in der Kleidung. Auch die Wanderwege enthalten Kalksteine."

Der weite Blick fällt auf den Düsseldorfer Fernsehturm, zur anderen Seite auf Velbert. "Dort wohne ich", sagt Gerhard Kuhlmeier (76), der 1946 von Minden nach Velbert gekommen ist. Ein Aufsatz in der Mittelschule habe vom "Vom Gras zum Korn" gelautet. "Das habe ich nie vergessen." Und: "Die Gegend ist wunderschön."

Eine Stunde später: Malerische Höfe tauchen auf. Gut Kotthaus, das denkmalgeschütze Gut Schwingenhaus. Die Hochhäuser an der Ellenbeek werden sichtbar. Bald sind zweieinhalb Stunden vergangen, etwa acht Kilometer sind zurückgelegt. Die Zeit vergeht wie im Flug. Bis zum Zeittunnel sind es nur noch ein paar hundert Meter. Dort wartet die Belohnung. Kaffee, Kuchen, Gegrilltes und Bier.

Wandern ist in - das befindet auch Bürgermeisterin Barbara Lorenz-Allendorff, die ein gutes Stück des Weges mitgegangen ist. Sie freut sich sich besonders darüber, dass unter den insgesamt 85 Wanderen eine große Anzahl an Nicht-Wülfrather sind. Lorenz-Allendorff: "Das zeigt, wie werbewirksam Zeittunnel und das Wanderwegnetz sein können." Im Bürgerbüro gibt es übrigens die Wanderkarte.