Wülfrath: ...und in der Nacht landet das schreiende Baby im Trockner
Zum dritten Mal findet das Projekt „Baby-Bedenkzeit“ statt – für fünf Schüler eine ganz besondere Erfahrung.
Wülfrath. Vormittags hatte es bereits im Unterricht ein wenig geplärrt. In den Fächern Deutsch und Französisch. Da konnte Philipp noch damit umgehen. In der Nacht wurde es ihm aber zu viel. "Hauptsache, es hört auf zu schreien", hatte auch sein Vater zu ihm gesagt. Und da hat Philipp gehandelt.
Das schreiende Bündel landete bis zum Morgen im Wäschetrockner. Philipp ist 13 Jahre alt und Teilnehmer des dritten Baby-Bedenkzeit-Projektes der Hauptschule Wolverothe. Und seine Erfahrungen sind die krassesten, die an diesem Morgen zum Abschluss der Testwoche von den Mitschülern berichtet werden.
Ein bis zwei Teenager-Schwangerschaften werden alljährlich an der Hauptschule Wolverothe gezählt. Die Mädchen sind dann in Klassen 9 oder 10. "Sie suchen Halt, der ihnen dann ein Baby geben soll", kennt Lehrerin und Projektleiterin Annegret Hellberg ein Motiv. "Kinder gerne, aber erst mit 24 Jahre und mit abgeschlossener Ausbildung", rät Hebamme Renate Roos den Schülern. Sie führt die Projekte durch und ermöglicht mit der Puppe den Jugendlichen erste Erfahrungen einer frühen Elternschaft.
Die Puppe - jeder Schüler gibt ihr eigene Namen wie Leon oder Laura - hat die ganz normalen Bedürfnisse eines Neugeborenen einprogrammiert bekommen. Die Mädchen und Jungen müssen "ihr" Kind beruhigen, füttern oder wickeln. Für den Notfall gibt es einen Panikschlüssel, mit dem die Puppe abgestellt werden kann. Philipp hat in seinem Stress die Schlüssel nicht gefunden und den Trockner als letzte Rettung gesehen, Nein, geschlagen oder geschüttelt habe er die Puppe nicht.
Bei Marie (13) war es dagegen fast so weit. "Ich hätte sie vor die Wand klatschen können", erzählt sie freimütig. Sie hatte die Puppe ein Wochenende lang, weil eine Klassenkameradin nach nur drei Stunden aus dem Projekt ausgestiegen war. Beim ersten Weinen, berichtet Marie, sei sie erschrocken gewesen und hätte sofort den Panikschlüssel eingesetzt.
Am Abend hat dann ihr Vater auf sein "Enkelkind" aufgepasst - und sie ging aus. In der Nacht sei es dann sehr anstrengend gewesen. In der zweiten Nacht habe sie die Puppe abgestellt. "Ich musste schlafen". Mutter sein ist eben anstrengend. Das weiß jetzt auch Julia (13). 17-mal habe die Puppe in der Nacht bei ihr geweint. "Ein Kleinkind und Schule, das kann nicht gut gehen", ist sich Marvin (14) sicher.
Dabei ist er ganz gut zurecht gekommen. Nur am Anfang sei es eine Umstellung gewesen. "Als das Baby zum ersten mal geschrien hat, bin ich ein paar Meter zur Seite gegangen", sagt er und schmunzelt ein bisschen.
Auch bei Lisa (15) hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es weder für Mutter und Kind richtig ist, im jungen Alter Nachwuchs zur Welt zu bringen. "Dieser eine Tag war eine wichtige Erfahrung", betont sie.
Die Simulationspuppe ist der Teil der Aktivitäten der Hauptschule in der siebten Klasse rund um Teenagerschwangerschaften, Erziehung, Kindesentwicklung und Elternverantwortung. Annegret Hellberg betont, dass mit der Puppe den Schülern keine Angst vor eigenen Kindern gemacht werden soll. "Es geht um den richtigen Zeitpunkt und um falsche Vorstellungen." Und Teenager sind meistens mit einem eigenen Baby überfordert. In der Realität gibt es eben keinen Panikschlüssel.