Der Reptilienfachmann des Kreises Viersen
Wenn Schlangen, Echsen oder Schildkröten im Kreis Viersen auftauchen, hilft der Nettetaler René Liedtke der Feuerwehr und den Behörden bei der Identifizierung der Tiere.
Lobberich. Ganz ruhig ist sein Blick. René Liedtke verzieht keine Miene. Erst als die Schlange auf seiner Hand den Kopf hebt, huscht ein leises Lächeln über seine Lippen. „Ist sie nicht wunderschön?“, flüstert er. Die gelblichen Schuppen seiner Gartenboa schimmern in der Sonne. Der Schlangenzüchter ist stolz auf seine Tiere.
Weniger Freude hat der Nettetaler Reptilienexperte häufig, wenn er als Artenschutzbeauftragter zu einem Einsatz gerufen wird und erschreckende Entdeckungen macht. Wie jetzt in einer Wohnung im Kreis Viersen.
„Unglaublich. Dort hielt ein junger Mann ein Siamesische Speikobra, ohne überhaupt Erfahrung im Umgang mit Giftschlangen zu haben, geschweige denn einen Sachkundenachweis“, sagt Liedtke. Vertreter des Kreisveterinäramts und der Unteren Naturschutzbehörde hatten ihn mit zur Kontrolle gebeten, um die Schlangenart zu bestimmen. „Gerade solch eine junge Speikobra hat ein hoch konzentriertes Gift, das sie auch versprühen kann. Da spielt ein unerfahrener Halter mit seinem Leben“, sagt Liedtke.
Das Problem dabei laut Liedtke: „Die Regelungen sind Ländersache, und Nordrhein-Westfalen hat noch immer kein Gefahrtiergesetz.“ Theoretisch könne jeder heimlich zum Beispiel Giftschlangen halten. „Seriöse Züchter verkaufen solche Tiere nur an Leute mit Sachkundenachweis und entsprechender Erfahrung“, sagt der Lobbericher. Doch es gebe auch einen Schwarzmarkt im Internet. Artenschutz und Meldepflicht würden so umgangen. Die Behörden könnten die Tiere nur dann beschlagnahmen, wenn die Haltungsbedingungen nicht in Ordnungen seien.
Eine bissige Schnappschildkröte in einem Nettesee, eine aus dem Terrarium ausgebüxte harmlose Kornnatter — in solchen Fällen wird Liedtke von der Feuerwehr oder den Behörden im Kreis gerufen. Nach Fang und Artbestimmung wird entschieden, sofern der Halter nicht ausgemacht werden kann, in welche Auffangstation das Tier kommt.
Weil Liedtke vom Bundesumweltministerium als „sachverständige Person im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes für das Sachgebiet Reptilien“ gelistet ist, wird er um seine Expertise gebeten, etwa wenn geschützte Reptilien oder Häute illegal eingeführt und vom Zoll am Flughafen beschlagnahmt wurden.
Liedtke, der einen Handwerker-Service betreibt, ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie (die Lehre und Kunde von den Tierklassen der Amphibien und Reptilien) und Terrarienkunde, hält und züchtet in seiner Freizeit Schildkröten und Schlangen. „Ich war schon als Junge von Reptilien fasziniert“, erzählt der 48-Jährige: „Ich tausche mich mit anderen Züchtern und Experten aus. Wir haben neue Erkenntnisse bei einigen Schlangenarten gewonnen, wir sind sozusagen Zoos im Kleinen.“
Giftschlangen hat er nicht. „Wenn man gebissen wird, ist man meist selbst schuld. Passiert mir auch, ist bei meinen Schlangen aber nicht schlimm“, sagt er. Hielte er Giftnattern oder Vipern, ginge ihm „die Unbeschwertheit verloren“, das überlasse er Giftschlangen-Experten.
Seine Schlangen behandelt Liedtke mit Respekt. Die 1,80 Meter lange Gartenboa nimmt er nur ganz kurz aus dem Terrarium. Liedtke: „Ich mag sie nicht stören. Ich habe den Eindruck, dass sie bald Junge bekommt. Das wäre natürlich wunderbar.“