Immer mehr Menschen im Kreis sind spielsüchtig

Die Summen, die an Automaten verzockt werden, steigen. Die Kommunen profitieren durch die Vergnügungssteuer.

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Kreis Viersen. Wer mit Spielsüchtigen spricht, hört oft dramatische Geschichten voller Scham, Verzweiflung, Lug und Betrug. An den blinkenden Automaten in dunklen Spielhöllen verspielen Menschen manchmal ihr ganzes Hab und Gut. Und mehr noch: Oft machen sie Schulden, gefährden ihre berufliche Existenz und belügen Familie und Freunde. Solche Dramen sind im Kreis Viersen sehr viel wahrscheinlicher geworden. Nach den aktuellen Zahlen der Landeskoordinierungsstelle Glücksspielsucht NRW, die seit 1998 Daten zum Glücksspielmarkt sammelt, wird auch hier vor Ort immer mehr Geld verzockt. Der Arbeitskreis gegen Spielsucht in Unna hat im Auftrag die Zahl der Geldspielgeräte in den Kommunen ermittelt und den Kasseninhalt — das Geld, das am Ende des Tages im Automaten bleibt — mithilfe von Studien geschätzt.

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Demnach seien 2016 in der Stadt Viersen an 394 Automaten in Spielhallen rund zehn Millionen Euro verzockt worden, in Nettetal an 179 Automaten knapp vier Millionen. Für Schwalmtal (17 Automaten) und Brüggen (16 Automaten) belaufen sich die Schätzungen auf über 360 000 beziehungsweise knapp 240 000 Euro. Und in die sechs Geldspielgeräten in Niederkrüchten seien gut 90 000 Euro hineingesteckt worden.

Allerdings sind diese Zahlen grobe Schätzungen. Recherchen bei den fünf Kommunen zeigen, dass die Größenordnung grundsätzlich stimmt. Die Städte und Gemeinden erheben Vergnügungssteuer und erhalten so einen gewissen Prozentsatz des Einspielergebnisses je Gerät. Die Kommunen — Niederkrüchten ausgenommen — nehmen so immer mehr Geld ein. Während zum Beispiel Viersen 2011 knapp 1,1 Millionen Euro kassierte, waren es 2015 schon über 1,7 Millionen. In Nettetal gingen 2015 die Steuereinnahmen im Vergleich zu 2013 zwar zurück, aber dieses Jahr plant die Stadt mit einem Ertrag von 940 000 Euro, was eine Verdopplung innerhalb von fünf Jahren bedeuten würde.

Die starken Steigerungen hängen auch damit zusammen, dass die Kommunen die Steuersätze zum Teil deutlich erhöht haben. „Das hat finanzielle Gründe“, erklärt Schwalmtals Kämmerin Marietta Kaikos. Brüggens Kämmerer Oliver Mankowski sieht darin auch ein ordnungspolitisches Instrument: „Wir wollen die Spielsucht eindämmen.“

Ob dieses Mittel Erfolg hat, wird sich zeigen. Sicher ist auf jeden Fall, dass die Kommunen erheblich vom Glücksspiel profitieren. Dabei stammt das Geld, das in den Automaten landet, häufig von Menschen, die spielsüchtig sind, erklärt Ilona Füchtenschnieder, Leiterin der Landeskoordinierungsstelle. „Glücksspielsucht ist eine anerkannte Krankheit, bei der das Verlangen zu spielen nicht kontrolliert werden kann. Dabei bestimmt sie den Alltag der Süchtigen, die Familie, Berufsleben und soziale Kontakte vernachlässigen“, sagt Füchtenschnieder.

Jeder Zehnte im Kreis Viersen spielt regelmäßig um Geld — die Tendenz steigt, weiß Dietmar Lufen vom Fachbereich Prävention bei der Suchtberatung Kontakt-Rat-Hilfe. „Ich kenne Klienten, die wenig verdienen oder Hartz IV bekommen. Sobald das Geld da ist, gehen sie in die Spielhalle und bleiben dort, bis sie alles verloren haben.“