Neue Ausstellung im Rathaus Als der Krieg in Kempen endete

Kempen · Am 2. März 1945 gab es den letzten Bombenangriff auf Kempen, am 3. März war der Krieg hier zu Ende. Für eine neue Ausstellung im Rathaus beschäftigten sich Schüler mit Zusammenhängen, Ereignissen und Opfern.

Beim letzten Bombenangriff auf Kempen am 2. März 1945 wurde auch das Gerätehaus an der Umstraße bis auf die Grundmauern zerstört. Links ist noch ein Gerätekarren der Kempener Feuerwehr zu sehen.

Foto: Kreisarchiv

Vor über 80 Jahren wären die Schüler, die heute in Kempen eine weiterführende Schule besuchen, vermutlich als Flakhelfer eingesetzt worden. Sie hätten Deckungslöcher gegen Tiefflieger ausheben oder in der Kriegsindustrie arbeiten müssen. An der Knabenvolksschule, die damals Adolf-Hitler-Schule hieß, hätte man die Schüler auf den Einsatz im Luftschutz und bei der Wehrmacht ausgebildet. Viele Schüler wurden eingezogen. Ein Sechstel von ihnen kehrte nicht aus dem Krieg zurück.

Wie die Menschen in Kempen den Zweiten Weltkrieg erlebten, beschäftigt den Kempener Historiker Hans Kaiser seit vielen Jahren. In Büchern, auch in vielen Beiträgen in unserer Zeitung, hat er sich mit dieser Zeit beschäftigt, mit den Zusammenhängen, den Ereignissen, den Opfern. Als Lehrer bezog er oft auch die Jugend ein. Seit 2010 ist Kaiser im Ruhestand, aber nicht ruhig: Unermüdlich arbeitet er weiter zur Geschichte Kempens. Gemeinsam mit Schülern hat er nun eine Ausstellung gestaltet, die ab Aschermittwoch, 5. März, im Rathaus zu sehen ist. Warum ihm die Einbindung der Jugend so wichtig ist? „Weil nach zwei Generationen alles vergessen ist, wie Angela Merkel einmal gesagt hat“, sagt Kaiser: „Und das soll nicht geschehen. Wir müssen den Jugendlichen vermitteln, was damals passiert ist, damit sie es weitertragen können in die nächste Generation. Damit sich das nicht wiederholt.“

Für die Gestaltung der Ausstellung gewann Kaiser Jugendliche der Gesamtschule. Zum Schulkomplex gehört das Gebäude der einstigen Knabenvolksschule, bis 1945 Adolf-Hitler-Schule. Die Jugendlichen werden heute dort unterrichtet, wo vor über 80 Jahren Schüler für den Fronteinsatz ausgebildet wurden.

Die Anregung zur Ausstellung gab der Kempener Stadtverordnete Jeyaratnam Caniceus. Kaiser suchte an der Gesamtschule nach interessierten Jugendlichen und fand sie in der Jahrgangsstufe 12. Santiago Bellen, Juli Brück, Yanis Brumme, Charlotter Konnen, Tim Kreckler und Florian Pfeiffer beschäftigten sich ab September Woche für Woche in ihrer Freizeit mit Kaiser mit Abschnitten der Ausstellung, sahen Filmausschnitte, sichteten Fotos. Ziel der Ausstellung: die Stärkung demokratischen Bewusstseins – im Sinne eines friedlichen und solidarischen, respektvollen und weltoffenen Miteinanders, wie es Kaiser beschreibt.

Im Gespräch mit den Schülern wird deutlich, dass sie die Beschäftigung mit dieser Zeit als sehr spannend, aber auch bedrückend, empfanden. „Für mich war von Anfang an klar, dass ich da mitmache“, sagt Tim. Man müsse darauf aufmerksam machen, damit sich die Geschichte nicht wiederhole. Auch in der jetzigen Zeit sei es wichtig, den Menschen zu zeigen, was passiert sei, betont Santiago, „das ist unsere Zukunft“, sagt Charlotte, „es ist wichtig, dass wir eine Demokratie bleiben.“

Die am Projekt beteiligten Jugendlichen und Erwachsenen, hier vor der Gedenkstele am Rathaus, freuen sich schon auf die Ausstellungseröffnung.

Foto: Birgitta Ronge

Die Ausstellung beschreibt
Hitlers Weg in den Krieg hinein

Für die Ausstellung, die in vielen Bildern die Stadt und ihre Menschen zeigt, setzten Kaiser und die Schüler Schwerpunkte. So erfahren Besucher zunächst Grundlegendes zur Entstehung des „Dritten Reiches“, wie sich Menschen jeden Alters der NSDAP anschlossen und unter dem Hakenkreuz lebten. Die Ausstellung beschreibt Hitlers Weg in den Krieg, das Leben in Kriegszeiten, und erzählt von Menschen aus Kempen, die verfolgt und ermordet wurden: von jüdischen Bürgern, politisch Andersdenkenden, Zwangsarbeitern, Menschen mit Behinderung. Sie zeigt auch Bilder von Gebäuden und Straßen, die man heute noch kennt, und stellt den Fotos der Zerstörung heutige Aufnahmen gegenüber. Es sind Menschen von hier und Bilder von hier, die im Rathaus zu sehen sein werden, „das trifft einen viel mehr“, sagt Yanis, „es macht einen Unterschied, ob man Bilder aus Berlin sieht oder aus Kempen.“

Am 2. März 1945 gab es den letzten Bombenangriff auf Kempen, unter anderem wurde dabei die Propsteikirche schwer beschädigt. Die Kempener Baufirma Schmitz wirkte nach Kriegsende am Wiederaufbau mit. Für das Traditionsunternehmen war es nun auch keine Frage, die Ausstellung im Rathaus zu unterstützen und die Inhalte optisch aufzubereiten. Auch wurde aus Fotos und Texten Unterrichtsmaterial erstellt, das Kaiser an die weiterführenden Schulen verteilt.

Bürgermeister Christoph Dellmans (parteilos) ist Kaiser dankbar für seinen unermüdlichen Einsatz für die Geschichte Kempens, auch für dieses Projekt: „Indem Sie die Jugend mitnehmen, wird es in die nächste Generation getragen“, betont er. Auch an der Gesamtschule ist man dankbar, die Ereignisse so anschaulich schildern zu können: „Das ist fundamental wichtig“, sagt Lehrer Klaus Dörnhaus, „das ist keine trockene Forschung, die im Bücherregal verschwindet.“ Kaiser sei „ein Glücksfall für unsere Schule“.

Am 3. März war der Krieg in Kempen schließlich vorbei. Fotos erinnern daran, dass damals Panzer von Oedt aus auf Kempen zurollten, US-Truppen besetzten die Stadt. Doch damit endet die Ausstellung nicht: Sie erzählt von Mangel, Hunger, Kälte und großer Zerstörung. Aber auch davon, wie sich die Demokratie entwickelte. Am 20. Dezember 1945 tagte nach langer Zeit erstmals wieder ein Stadtrat.