Behinderte Kinder lernen: Schwimmen mit Hund Bibi
Bei Elke Otto lernen behinderte Kinder sichere Bewegung im Wasser.
Kempen. Wenn Elke Otto Schwimmunterricht gibt, sieht das anders aus, als normalerweise: Im Wasser assistiert ihr ein Hund mit einer Rettungsweste in Orange und die Kinder haben alle schwere körperliche und geistige Behinderungen. „Es geht nicht nur ums Schwimmen.
Der Kontakt zu den Hunden ermöglicht es, näher an die Kinder heranzukommen“, sagt Otto. Sie hat die Dog-Water-Therapie entwickelt, die der Delfin-Therapie ähnelt. Otto betont jedoch, dass diese oft in Florida oder auf Mallorca stattfände, was einen großen Reisestress bedeute. Zudem sei ihre Arbeit nachhaltiger und für die Tiere artgerechter.
Zurzeit baut sie an der von-Loe-Straße 40 ein Zentrum für die Dog-Water-Therapie auf. Direkt zum Start wurde ihre Arbeit von der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft als einer von 365 Orten im „Land der Ideen 2011“ ausgezeichnet.
Der Weg dahin war von Zufällen geprägt. Mit sechs Jahren wäre Otto während einer Kur an der Nordsee fast ertrunken. Als Reaktion darauf wurde sie Rettungsschwimmerin. Die 52-Jährige bringt seit 30 Jahren Kindern das Schwimmen bei.
Mittlerweile hat sie Schüler, die eine besonders große Zuwendung benötigen. Sie haben das Down-Syndrom oder einen offenen Rücken, leiden an Epilepsie, Autismus, sind blind oder einseitig gelähmt. Otto: „Ich habe irgendwann festgestellt, dass es für behinderte Kinder keine Schwimmkurse gibt.“
Um den richtigen Zugang zu ihnen zu finden, kam ihr ein Zufall zur Hilfe. Otto besaß einen Landseer mit dem Namen Bootsmann, den sie 1997 in Belgien zum Seenot-Rettungshund ausbilden ließ. Bei Übungen mit ihm am Brüggener Dahmensee stellte sie fest, dass der Rüde eine starke Wirkung auf Kinder hat. Sie begann, Bootsmann in den Schwimmunterricht einzubinden. Das habe vor allem bei Behinderten Erfolg gezeigt, da sie schnell Zutrauen zum Tier fassten: „Hunde sind ohne Vorurteile.“
Kinder wurden durch die Kurse nicht nur beweglicher, sondern auch selbstsicherer. Und so entwickelte Otto vor elf Jahren das Konzept der Dog-Water-Therapie. „Im Wasser spürt man seinen Körper nicht, das gibt ein ganz anderes Gefühl“, erklärt sie. Der Hund hole dabei Verborgenes aus den Schülern heraus. Die Eltern stellten fest, dass ihre Kinder nach der Therapie besser schlafen konnten und mehr Hunger haben. „Das ist vor allem bei denen, die künstlich ernährt werden, eine Verbesserung.“
Otto betont aber, dass ihre Therapie alleine nicht helfe. Es handle sich vielmehr um eine Ergänzung zu medizinischen und pädagogischen Maßnahmen. „Das Wichtigste ist, dass sich auch die Eltern stark engagieren.“
Im neuen Zentrum an der von-Loe-Straße laufen die Arbeiten unterdessen auf Hochtouren. In einer Halle, in der zuvor ein Fitnessstudio untergebracht war, entsteht ein vier mal acht Meter großes und 1,20 Meter tiefes Wasserbecken mit einer Rampe für Rollstühle sowie Unterwasser-Lautsprechern. Über die Boxen werden künftig Wal-Laute abgespielt, da die Vibrationen beruhigend wirken sollen.
Im Raum nebenan wird ein Spielzimmer für die Geschwister der Behinderten eingerichtet. Bereits fertig ist ein Judo-Raum, in dem die Kinder Kraft und Stärke entwickeln sollen. Auch dabei setzt Otto ihre fünf Hunde als „Brückenbauer“ ein. Für Familien, die nicht in der näheren Umgebung wohnen, gibt es ein Gästezimmer.
Zur Finanzierung des Projektes hat Otto den gemeinnützigen Verein Wassertröpfchen gegründet. „Wir sind ständig auf Spenden angewiesen, denn viele Eltern können sich eine solche Therapie nicht leisten.“ Bislang kann diese noch nicht über die Krankenkasse abgerechnet werden. „Das ist der nächste Schritt“, kündigt Otto an.