Berufsorientierung: Untypisch ins Berufsleben
Mädchen werden Malerin, Jungen Erzieher: Beim Girls und Boys Day ist alles möglich.
Kempen/Grefrath/Nettetal. Arbeitsschuhe anziehen - vor einer Führung durch die Produktion der Firma Johnson Controls ist das Pflicht. Die Mädchen der 9. und 10. Klassen der Grefrather Hauptschule sind wenig begeistert angesichts der nicht allzu modischen Exemplare. Die Schichtkoordinatorin Andrea Fabic führt durch die Halle, in der Armaturen für die Mercedes S-Klasse gefertigt werden. "Roboter, voll cool", bemerkt Linda.
Es ist Girls Day. An diesem Tag können Mädchen typische "Männerberufe" kennen lernen. So wie beim Automobilzulieferer Johnson Controls, wo man sich im Grefrather Werk unter anderem zum Maschinen- und Anlagenführer ausbilden lassen kann.
Die Maschinen nehmen einen großen Teil der körperlichen Arbeit ab. Andrea Fabic macht den Mädchen daher Mut, es auch einmal in einem Männerberuf zu probieren. Die jungen Besucherinnen hören interessiert zu. Die Schuhe sind vergessen. Von so etwas lässt sich keine so schnell abschrecken.
Den Girls Day gibt es seit zehn Jahren. Doch Mädchen streben weiterhin mehrheitlich in "Frauenberufe" wie Friseurin, Büro- oder Einzelhandelskauffrau, berichtet Katja Kamps von der Agentur für Arbeit. Dabei gibt es viele Gründe, auch einmal über den Tellerrand zu blicken. Ein höheres Gehalt und eine krisensichere Stelle im Handwerk gehören dazu.
Zusammen mit der Kreishandwerkerschaft Niederrhein stellt die Arbeitsagentur daher Mädchen Handwerksberufe vor. Elf Schülerinnen schauen sich im Bildungszentrum Niederrhein der Kreishandwerkerschaft in Kempen einen Tag lang an, was zum Beruf Maler und Lackierer dazu gehört.
Das Aufgabengebiet ist vielseitig und von Frauen gut zu meistern, weiß Stefan van den Hoogen, Anleiter beim Bildungszentrum: "Das Feedback bei den Teilnehmerinnen war gut." Auch Angelique Schöffe aus Grefrath hat der Einblick gefallen: "Ich wollte mir das anschauen, weil sich der Beruf kreativ anhört. Und jetzt wollte ich mal nach einem Praktikum fragen", erzählt die 15-Jährige, während sie sorgsam ein Bild zum Girls Day malt.
Zwar wagen sich Jungen eher in Frauen- als Mädchen in Männerberufe. Aber auch das ist selten. Daher werden mittlerweile auch Jungen in den Schnuppertag eingebunden.
Vincenz Bing ist gestern zu Gast in der Blumengruppe der Kindertagesstätte in Leutherheide, spielt und puzzelt mit den Kindern. Der 13-Jährige erinnert sich gern an seine Kindergartenzeit und hatte daher Lust, in einer solchen Einrichtung vorbeizuschauen. Ob er später selbst Erzieher werden möchte, weiß er noch nicht.
Oft ist es auch der Blick aufs Gehalt, der interessierte Männer davon abhält, Erzieher zu werden. Dabei könnte man männliche Verstärkung durchaus gebrauchen, meint Gruppenleiterin Petra Küppers.