Braucht Kempen Stolpersteine?
Eine lebhafte Diskussion gab es im Kulturausschuss. Nur die Freien Wähler sind eindeutig dafür.
Kempen. Gedenkestätten haben Konjunktur in Kempen. Gleich drei Anträge standen auf der Tagesordnung des Kulturausschusses am Dienstagabend. „Eine verblüffende Verkettung“, wie Bürgermeister Volker Rübo feststellte. Etwa 30 Zuhörer hatten Interesse an den Themen.
Die Stolpersteine wurden im Vorfeld am heftigsten diskutiert. Diese Steine, die an Kempener Holocaust-Opfer erinnern sollen, will eine Initiative um Philipp Wachowiak (auch Ratsherr der Freien Wähler) in Kempen verlegen.
103 Bürger haben sich mit ihrer Unterschrift dafür ausgesprochen. Etwa die Hälfte dieser Unterstützer will auch eine Patenschaft übernehmen.
Nun stand die erste politische Diskussion an und die Politiker bemühten sich um Zurückhaltung. Lediglich die Freien Wähler Kempen (FWK) positionierten sich eindeutig dafür.
In der Einführung sprach die Ausschussvorsitzende Heike Höltken (CDU) von einer „Auseinandersetzung“ und mahnte, das Thema sensibel zu behandeln. Rübo zeigte sich verwirrt.
Es gebe keine „vehemente Auseinandersetzung“, stattdessen würden unterschiedliche Standpunkte ausgetauscht. „Es hat bei diesem Thema keine Polemik gegeben — nicht in der Vergangenheit und es wird sie auch jetzt nicht geben“, so Rübo. In der Verwaltungsvorlage zu diesem Tagesordnungspunkt habe er beide Sichtweisen vorgestellt.
Das sah Udo Kadagies (FWK) anders: „Ich halte die Vorlage überhaupt nicht für fair.“ Während unbekannte Kritiker zitiert würden, würden bekannte Befürworter wie der Bundespräsident nicht erwähnt.
Auch die Aussage „Verdoppeltes Gedenken ist letztlich halbes Gedenken“, teile er nicht, so Kadagies. Mit Gedenkstätten wie dem jüdischen Friedhof würde man junge Menschen nicht erreichen.
Heidi Grochtmann (SPD) merkte an, dass es schwierig sei, die Stolpersteine abzulehnen. Es sei ein Thema der leisen Töne, sagte Joachim Straeten (Grüne). Es gebe Pro und Contra, so Otto Birkmann (CDU): „Ich hoffe, dass wir auch nach der Abstimmung noch gute Demokraten sind und die Meinung des anderen akzeptieren.“
Bürgermeister Rübo riet, die Diskussion nicht zu hoch aufzuhängen. Die entscheidende Frage sei letztlich: „Brauchen wir neue Ausdrucksformen des Gedenkens? Braucht unsere Stadt das?“ Einstimmig wurde die Entscheidung vertagt. Im Haupt- und Finanzausschuss sowie im Stadtrat wird die Diskussion fortgesetzt.
Das gilt auch für den Antrag des Arbeitskreises Multikulturelles Forum, der sich für das Kunstwerk „Engel der Kulturen“ am Haupteingang des Rathauses ausspricht.
Es setzt sich aus den Symbolen von Juden- und Christentum sowie Islam zusammen. „Bezweckt wird der interkulturelle Dialog“, erklärte Galeristin Barbara Herrmann-Lange, die die Idee im Ausschuss vorstellte.
Zusammen mit Schulklassen wollen zwei Künstler dieses Projekt umsetzen. Am Ende wird eine Bodenplatte als dauerhafte Erinnerung eingelassen. Die Fraktionen lobten zwar die gute Idee, meldeten aber Beratungsbedarf an. In der SPD und FWK gebe es Bedenken wegen des Standortes am Rathaus.
Die „Jungen und Mädchen des Jahrgangs 1936/1937“ haben den Zweiten Weltkrieg selbst erlebt. Um die Erinnerung an die Opfer auch für die Nachwelt zu bewahren, wollen sie am Kriegerdenkmal an der Burg eine Tafel mit den Namen anbringen.
Zunächst hatte der Historiker Hans Kaiser die Namen von 571 Soldaten und 121 Bombenopfern ermittelt. „Die Zahl ist nicht korrekt“, sagte Kulturamtsleiterin Elisabeth Friese.
Zurzeit würden weitere Quellen überprüft, um möglichst alle Namen zusammenzutragen. Für das Mahnmal gab es die Zustimmung aller Fraktionen — auf den Besucherplätzen daraufhin kleinen Applaus und strahlende Gesichter.