WZ-Mobil Burg und Archiv: Thema lässt wenige kalt
Am WZ-Mobil wird eifrig diskutiert. Viele Kempener wollen ihr „Stadtgedächtnis“ in Kempen halten.
Kempen/Grefrath. DerGrefrather Heinrich Lennackers schiebt sein Rad über den Buttermarkt an der Rollenden WZ-Redaktion vorbei. Für seine Meinung zum künftigen Standort des Kreis-Archivs bleibt er stehen und sagt klipp und klar: „Das Archiv muss nach Grefrath. Das Bad muss weg. Das kostet nur Geld.“ Archiv und Dorenburg, das sei eine gute Verbindung.
Dem stimmt eine Frau aus Kempen, die vor 50 Jahren in die Stadt gezogen ist, grundsätzlich zu. „Man sollte das Archiv aber erst mal in der Burg lassen, bis man einen Käufer für sie hat.“
Marianne Rieck ist für den Archivstandort Kempen. Für die Burg wünscht sie sich eine reizvolle Nutzung. „In der Stadt gehen immer mehr Geschäfte weg. Der Druck durchs Internet ist deutlich spürbar. Da muss etwas Attraktives in die Innenstadt.“ Denkbar wäre ein Hotel mit Gastronomie, ein Café, ein Biergarten.
Eine weitere Passantin, geboren in Tübingen, aber seit Jahrzehnten in Kempen beheimatet, setzt sich für den Erhalt des Archivstandorts in Kempen ein. „Kempen ist doch schon mal von Viersen überrumpelt worden.“
Karl-Heinz Hommen und seine Frau sind aus Süchteln zum Wochenmarkt nach Kempen geradelt. Hommen sieht in Bezug auf die Zukunft und den Erhalt der Burg das Land in der Pflicht: „Hannelore Kraft müsse Gelder dazugeben.“ Touristisch sei dieses Gebäude von hohem Wert für die Stadt. „Was wäre Kempen ohne die Burg, ohne die Stadtmauer?“ Das Archiv will er an seinem Standort belassen. Beleben würde er die Burg mit Ausstellungen — renommierter Künstler von außerhalb, aber auch durch lokale Kreative. „Warum nicht auch regelmäßig Werke von Schülern präsentieren?“
Frank Grusen hat auf Facebook gepostet: „Zunächst ist es wichtig, dass die Entscheidung bezüglich des Standorts für das Kreisarchiv keinen längeren Leerstand der Burg mit sich bringt. Dann sollte man die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie abwarten und vielleicht auch eigene Ideen entwickeln. Mit beidem können Kreis und Stadt dann auf potentielle Investoren zugehen. Ob Hotel, Gastronomie oder anderes — wichtig ist, dass ein herausragendes Objekt wie die Burg einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich ist.“
Für den Kempener Werner Beckers gehört das eigene Stadtarchiv definitiv auch in die Thomasstadt. Der Kempener Teil des jetzigen Archivs mit Urkunden und dem Zeitungsarchiv in der Burg sei mit Abstand der wichtigste Teil.
Das sieht auch Ulrich Hermanns so. „Das Kreisarchiv sollte in Kempen bleiben, der notwendige Neu- bzw. Erweiterungsbau ebenfalls hier entstehen“, sagt Ulrich Hermanns. Dafür sprechen die bekannten historischen Gründe sowie die Tatsache, dass erstens Kempen verkehrstechnisch bestens mit dem Kreis Viersen und darüber hinaus vernetzt sei — was man von Grefrath nicht behaupten könne — und zweitens, dass bereits ein „Kreiskulturzentrum“, wie es dem Landrat für Grefrath vorschwebe, existiere, nämlich die Kempener Burg mit Kreisarchiv, VHS und dem benachbarten Kulturzentrum Franziskanerkloster. Die Vorstellung des Landrates eines „Kreiskulturzentrums“ in Grefrath sei absurd, zumal im Falle eines Neubaus dort möglicherweise das Schwimmbad geopfert werden müsste — „das passt nicht so recht ins Bild von der „Sport- und Freizeitgemeinde Grefrath“.“
Ebenso unsinnig ist die kolportierte Vorstellung, dass die zwei bis drei Besucher, die im Schnitt täglich das Kreisarchiv aufsuchen, die verarmte Gemeinde Grefrath nach vorne brächten, weil sie wie wild in Grefrath einkaufen oder Schlittschuh laufen. Coenen scheine geneigt zu sein, die Kreis-VHS, also einen wirklichen Kulturfaktor, zu opfern. „Müsste sie aus der Burg raus, so wäre die Kreis-VHS tot - im ganzen Kreis, nicht nur in Kempen“, so Hermanns. Ein neues Magazin für das Kreisarchiv könnte unterhalb des Burgparkplatzes entstehen. „Einen solchen Tiefenspeicher, der auch über mehrere Etagen gehen kann, kenne ich aus eigener Anschauung von der Wiener Österreichischen Nationalbibliothek, deren Magazine sich unter dem Heldenplatz vor der Hofburg befinden.“ Für VHS, Ausstellungsräume etc. — die Burg solle ja laut Coenen der Öffentlichkeit mehr geöffnet werden — biete sich der Wiederaufbau des dritten Flügels der Burg an. Dafür sollten die 5,1 Millionen Euro an Fördermitteln ausreichen.
Ein anderer Kempener, der sich am WZ-Mobil äußerte, hält nichts von einer anderen Nutzung der Burg. Er hält es für sinnlos, ein neues Archiv zu bauen und dafür Geld auszugeben, obwohl schon eins existiere. Eine andere Kempenerin fände es toll, wenn die Burg mit neuer Nutzung Touristen anlocken würde. Ein Ehepaar, das sich bei der rollenden Redaktion äußerte, hatte unterschiedliche Ansichten. Während sie gegen einen privaten Eigentümer aussprach, sah ihr Mann für die alten Mauern ohne Investor keine Chance.
Paul Klahre nannte die Diskussion „Traditionsgeschwafel“. Er hält es aber auch nicht für sinnvoll, das Archiv nach Grefrath zu verlegen und dafür das Freibad zu schließen.
Manfred Wolfers jun. ist Mitglied im Kreis-Kulturausschuss und CDU-Ratsherr in Grefrath: „Leider haben wir in der Gemeinde Grefrath in der Vergangenheit viele Chancen auf Investitionen und sinnvolle Einsparungen verpasst.“ Er sei froh, dass bei der Standort-Frage zum Kreisarchiv ein qualifiziertes Verfahren geplant sei. „Es kommt auf ein Gesamt-Konzept an, welches für alle Beteiligten wirtschaftlich und fachlich sinnvoll sein sollte. Hier hat unser Landrat einen sehr guten Fahrplan zur Bewertung der Fakten und zur Beratung vorgelegt. Es ist die Aufgabe der gewählten Mitglieder im Kreistag und im Gemeinderat sich erst mal schlau zu machen und danach anhand von Fakten zu entscheiden. Auch hierbei sind sicherlich bei vielen Punkten gute Kompromisse möglich - beispielsweise bei der Frage, wie sich ein Neubau konkret in das Umfeld eines Standorts einfügen kann.“
„Wenn politische Akteure im Kreis Viersen auch in Zukunft eigene Archive, die sich nicht durch Entgelte refinanzieren, unterhalten wollen, sollten sie ihren Einwohnern auch sagen, dass dies über Kommunalsteuer (Hebesatz) finanziert werden muss“, sagt der Oedter Manfred Wolfers sen. Eine gemeinsame Lösung im Sinne von interkommunaler Zusammenarbeit wäre angebracht. „Ein Kreisarchiv, ob mit ohne Stadtarchive von Kempen, Viersen und Willich, neben der Kultur- und Bildungsstätte Freilichtmuseum zu etablieren macht Sinn. Eine gute Idee.“
Eine Kempenerin, die auf dem Weg zum Wochenmarkt vorbeikam, ließ die Frage dann aber doch ziemlich kalt: „Das ist mir egal, wo das Archiv hinkommt. Ich muss da sowieso nicht hin.“