Die Taxis werden 140
Die Musik-Zwillinge Willi und Toni aus Kempen werden am Freitag 70 Jahre alt.
Kempen. Wenn Toni etwas tut, dann macht Willi mit. Und umgekehrt. So war das schon immer bei den Kelleners-Zwillingen. Fünf Minuten Vorsprung machten Toni als Erstgeborenen zum Beschützer, als die eineiigen Zwillinge 1941 in Hüls geboren wurden. Zusammen lernten sie nach der Schule den Beruf des Webers, später wurden beide Verkaufsfahrer: Willi bei Coca-Cola, Toni bei Afri-Cola.
Die gemeinsame Jugendliebe war die Musik und wurde eine fürs Leben. Durch die Musik wurden die beiden Kempener in der Region bekannt. Am Freitag feiern die Zwillinge 70. Geburtstag.
Willi und Toni sangen im Knabenchor, bis Ende der 50er Jahre Elvis kam. „Dann war nichts mehr mit Klassik“, sagt Toni. Sie starteten ihre musikalische Karriere und sangen sich bis zum Karneval nach Las Vegas.
Wenn die Zwillinge reden, ähnelt es einem älteren Ehepaar. Einer fängt den Satz an, der andere ergänzt oder korrigiert. Der Scheitel links, das Haar über den Kopf gekämmt, die kahle Front, der Schnäutzer — nur Tonis gebräunte Haut unterscheidet die Brüder.
Sie kokettieren mit ihrer Ähnlichkeit, tragen bei Auftritten gleiche Kleidung: rotes Hemd, schwarze Weste, Krawatte. Natürlich habe es früher in der Schule den üblichen Rollentausch gegeben, sogar später beim Bund sei der eine einmal für den anderen eingesprungen, witzeln Willi und Toni und lachen über frühere Tage.
Mit ihrer ersten Band — den Kelty Brothers — tourten sie in den 60ern durch die Kneipen am Niederrhein. Toni am Schlagzeug, Willi an der Gitarre. Das war die Zeit von Cliff Richard, Bill Hailey und den Beatles — die Kelleners-Zwillinge coverten die Hits der internationalen Musikszene.
Damals arbeiteten beide als Taxifahrer: Toni in Hüls, Willi in Kempen. Seitdem sind sie als Taxi-Toni und Taxi-Willi bekannt, melden sich auch am Telefon so. „Die Namen kamen von unseren Kunden“, sagt Toni. „Wenn die abends noch irgendwohin wollten, hieß es: ‚Komm’, wir rufen Taxi-Toni oder Taxi-Willi, die wissen, wo was los ist.’“
Besonders viel los war ab 1972, als Toni eine Kneipe in Hüls eröffnete. Musiker aus der Region kamen zusammen. Es wurde gefeiert, das Wochenende war Toni bis 3 Uhr nachts im Laden, unter der Woche fuhr er Taxi. Heute wissen die Beiden, dass ihr unstetes Leben von damals ihre Partnerinnen unglücklich machte. Willi ist mit seiner dritten Frau verheiratet, die erste Ehe scheiterte an seinem vollen Terminplan. Toni ist zum zweiten Mal verheiratet, mit Doppelhochzeit 1976. Noch eine Parallele: Beide haben zwei Söhne.
Später trennten sich die Wege der Brüder. Toni spielte bei anderen Bands, Willi machte sich mit einer mobilen Schallplattendisko selbstständig. 1976 schafften es die beiden gleich vier Mal in Rudi Carrells Sendung „Am laufenden Band“. 2002 traten sie in einer Sendung von Fernseh-Koch Horst Lichter auf und sind noch heute mit ihm befreundet.
Ein anderer Bekannter lud Toni und Willi 2003 nach Las Vegas ein — zum deutschen Karneval. Ihre kölschen Lieder kamen bei den Exil-Germanen gut an. Sieben Jahre lang reiste Toni wieder dorthin, den Bruder fesselte eine Krankheit an die Heimat.
Komplett aufhören kommt für die Entertainer auch mit 140 Jahren nicht infrage, lieber entwickeln sie sich weiter: Willi tritt als Mundart-Künstler auf und organisiert den Musik-Treff im Lokal Stradivari (siehe Kasten).
Der Bruder kümmert sich um die Youtube-Seiten im Internet, auf denen man alte und neue Stücke der Beiden hören kann. Zusammen auf die Bühne wollen sie aber nicht mehr: Beim ausverkauften Konzert am 27. Mai im Kempener Franziskanerkloster, das die Kelleners organisiert haben, wird der Don-Kosaken-Chor, die 300 Gäste unterhalten.