Freilichtmuseum: 150 Dachziegel in einem Haus
Seit Sonntag sind die Exemplare im Freilichtmuseum zu sehen. Sie erzählen viele Geschichten.
Grefrath. Handwerker, die nicht rechnen können, Angst vor Hexen und Teufel, bedeutungsschwere Symbole hoch über allen Köpfen — Dachziegel haben viele Geschichten zu erzählen. Das erfuhren gestern interessierte Besucher im Niederrheinischen Freilichtmuseum in Grefrath. Dort eröffnete der scheidende Museumsleiter Heinz-Peter Mielke die Dauerausstellung „Dachziegel aus drei Jahrhunderten“.
Zu sehen sind etwa 150 Dachziegel aus dem europäischen Kulturraum, die ältesten Exemplare sind aus den Jahren 1727 und 1734. Schwerpunkt der Ausstellung sind die so genannten Feierabendziegel. Darunter werden die jeweils letzten Ziegel eines Produktionstages verstanden, welche von den Ziegelbrennern kunstvoll verziert wurden. „Das waren alles Auftragsarbeiten“, sagt Mielke. Ein Feierabendziegel erzählt also eine persönliche Geschichte seines Besitzers.
Die ausgestellten Ziegel weisen christliche Symbole oder schutzgebende Ornamente auf, erzählen von der Angst der Menschen vor dem Teufel. Kurios ist eine Ziegel-Aufschrift mit einer einfachen Additionsaufgabe. Die mathematische Gleichung stimmt nicht, geht schlichtweg nicht auf. „Dieser Ziegelmacher konnte nicht rechnen“, kommentiert Mielke.
Weit verbreitet war der Glaube an das personifizierte Böse. Um Teufel und Hexen von Heim und Herd fernzuhalten, gibt es Inschriften wie „JMJ“, was „Jesus, Maria, Josef“ bedeutet. Damit wirkten die Menschen gleichzeitig vernichtendem Feuer entgegen, denn Feuer war ein Teufelswerk. „Außerdem gab es damals noch keine Brandschutzversicherung“, fügt Mielke hinzu.
Am Niederrhein setzte sich der Ziegel als Dachbedeckung erst relativ spät durch — entsprechend wenige heimische Exemplare sind in der Sammlung vertreten. Trotzdem spielte die Region eine wichtige Rolle: „Die Ziegelindustrie war beispielsweise in Brüggen oder Kaldenkirchen ansässig“, sagt Mielke. Der Name Tegelen ist an das lateinische Wort tegula für Ziegel angelehnt. „Dort war die Heeresziegelei von Xanten ansässig“, erzählt der Museumsleiter, der am 3. Mai in den Ruhestand geht.
Die Dauerausstellung ist in der Flachsdarre des Freilichtmuseums zu sehen. Dort benennt eine Infotafel die wichtigsten Fakten rund um die historischen Dachziegel.