De-Beukelaer Kempen kämpft für Prinzenrolle-Standort

Kempen · Schock, Zukunftsangst, Tränen, Trotz, Ratlosigkeit und Kampfeswille: Die verunsicherten Mitarbeiter versammeln sich am Freitag am Buttermarkt. Und erleben Solidarität.

Während der WZ-Umfrage am Buttermarkt unterschrieben viele Mitarbeiter, Rentner und Bürger das Belegschaftschreiben an die Griesson-Geschäftsführung.

Während der WZ-Umfrage am Buttermarkt unterschrieben viele Mitarbeiter, Rentner und Bürger das Belegschaftschreiben an die Griesson-Geschäftsführung.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Marion Schmidt ist 54 Jahre alt. Seit 38 Jahren ist die Maschinistin bei de Beukelaer angestellt, hat vor kurzem erst von Teilzeit auf Vollzeit umgestellt. Das Wort, das sie wählt, um ihre Gefühlslage zu beschreiben, die sie durchlebt, seit sie vor einer Woche von dem 2020 drohenden Standort-Aus in Kempen erfahren hat, ist kurz, knallhart, aber nicht zitierfähig. Es trifft haargenau den Nerv der umstehenden Kolleginnen, die sich genauso schlecht fühlen wie sie.

Dutzende Mitarbeiter des Unternehmens Griesson-de Beukelaer haben sich zur WZ-Umfragezeit am Buttermarkt versammelt, um Flagge zu zeigen. Sie legen den Kempenern Unterschriftenlisten vor. Sie suchen Zeichen der Solidarität.

„Mensch vor Marge – Stoppen Sie die Pläne zur Betriebsschließung!“ Das Unterschriften-Schreiben der Belegschaft ist an die Geschäftsführung von Griesson-de Beukelaers gerichtet, an Andreas Land, Andreas Nickenig und Roland Haffke. „Griesson-de Beukelaer hat als Familienunternehmen, welches auch als Arbeitgeber ein familienfreundliches Image hat, eine besondere Verantwortung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Kempen. Die Menschen sind mit ihren Familien regional verwurzelt und arbeiten zum Teil über Jahrzehnte für Sie als Unternehmen.“ Die Chefriege wird aufgefordert, die Umsetzung der Pläne zu stoppen, eine Perspektive für den Standort Kempen zu entwickeln und alle Arbeitsplätze in Kempen zu sichern.“

Viele ehemalige Mitarbeiter sind gekommen, die, die schon in Rente sind. Ihnen ist der Kummer um den bevorstehenden Abzug aus Kempen im Gesicht abzulesen. Die Sorge, was aus den heutigen Mitarbeitern wird, die teilweise Familienangehörige sind.

Butterkeks-Produktion wurde
vor Jahren schon abgegeben

„Irgendwie haben wir uns das schon länger gedacht“, sagt Schmidt. „Es hat doch damit angefangen, dass vor einigen Jahren die Butterkeks-Produktion abgegeben wurde, ohne dass etwas Neues kam, obwohl uns das versprochen wurde“, sagt sie. Und Nicole Müller, seit 2009 dabei, fügt hinzu: „In jedem Jahr haben wir auf den Betriebsversammlungen nachgefragt. Und immer gehört: Das Werk ist sicher.“

Das bestätigt Betriebsratsvorsitzender Detlev Büschges. „Auf unsere Frage, warum seit einigen Jahren nicht mehr ausgebildet wird, kam immer die Antwort: Wir haben Personalüberhang.“

In dritter Generation arbeitet Michael Witthoff bereits bei de Beukelaer. „Meine Oma hat schon hier gearbeitet und mein Vater. Von meiner Oma habe ich an der Füllmaschine meinen ersten Doppelkeks bekommen.“

Schock, Zukunftsangst, Tränen, Trotz, Ratlosigkeit und Kampfeswille: In den Gesprächen auf dem Buttermarkt tun sich viele Gefühlswelten auf. Liliane Vuylsteke ist zum Markt gekommen, um ihre Solidarität zu zeigen. „Ich war selbst 30 Jahre bei de Beukelaer. Als das Werk vor 20 Jahren an Griesson ging, musste ich gehen. Ich habe gerne dort gearbeitet. Muss diese Nachricht jetzt ausgerechnet vor Weihnachten kommen, müssen die Leute vor vollendete Tatsachen gestellt werden? Das ist Profitgier.“

René Glasmacher (36), seit 2001 im Werk, steht mit seinem Kollegen Imad Omeirat zusammen. Die beiden sind Anlagenbediener, zuständig für die Qualitätssicherung. Sie arbeiten in Früh-,  Spät- und Nachtschicht.

Beiden steckt die Nachricht in den Knochen. Omeirat hat Frau und drei kleine Kinder. Kempen würde er nicht verlassen. „Hier ist mein Leben“, sagt er. Glasmacher: „Wir beide sind verhältnismäßig jung, werden hoffentlich etwas anderes finden, aber unsere Belegschaft ist wie eine Familie. Wir hätten vielleicht woanders schon mehr verdienen können, aber da ist ein gutes Betriebsklima.“ Ältere Mitarbeiter, kann er sich vorstellen, bekommen vielleicht jetzt Panik. Beide verstehen den Schritt der Firma nicht. „Die Prinzenrolle ist das Premium-Produkt, auch  jeder andere Doppelkeks kommt aus Kempen.“

Mitarbeiter haben Angst davor, ihren Job zu verlieren

„Als ich das hörte, habe ich geweint, konnte nicht mehr schlafen“, sagt Gülten Yilmaz. Sie ist seit 2002 im Unternehmen, hat zurzeit Urlaub, doch an Erholung ist für die Maschinistin nicht mehr zu denken.“ Sie hat Angst, ihren Job zu verlieren.

Michael Kossizin setzt auf den Zusammenhalt in der 270 Mitarbeiter zählenden Belegschaft: „Wir wehren uns wie 1000“, sagt er.

Auf allen Ebenen wollen die Mitarbeiter Unterschriften sammeln. Aus der Gaststätte Falco kommt Chef Christoph Wefers und holt eine Unterschriftenliste ab. „Die füllen wir“, sagt er. Ein Passant spricht von seiner Enkelin, die in der Schule sammeln will, damit die Prinzenrolle weiter in Kempen gebacken wird.

„Wir spüren die hohe Identität, die die Stadt mit de Beukelaer hat“, sagt Betriebsratsvorsitzender Büschges. Michaela Witthoff und Marion Schmidt verabschieden sich mit den Worten: „Wir schließen das Werk mit ab.“ Wenn das Aus nicht abgewendet wird.