Niederrheinisches Freilichtmuseum In Grefrath lebte man mit Tieren auf engstem Raum
Die Hofanlage Süchteln-Hagen auf dem Gelände des Freilichtmuseums ist die mit den meisten Gebäuden.
Grefrath. Nur 58 Quadratmeter Grundfläche und dennoch ein Heim für Mensch und Tier. Im 17. Jahrhundert war die Wohnraumgröße, die das Haus der Hofanlage Süchteln-Hagen aufweist, durchaus üblich. In diesem Teil der Serie über das Freilichtmuseum geht es um die Anlage, die das Handwerkszentrum mit Töpferei, Korbflechterei, Brunnenbau und verschiedenen holzverarbeitenden Berufen beherbergt.
Durch die Torscheune — sie wurde 1724 erbaut — betritt der Besucher die Anlage. Sie gehörte zu einem Hof in St. Tönis und diente als Stallung und Speicher. „Das Wohnhaus direkt gegenüber der Torscheune stammt aus dem Jahr 1655“, sagt Museumspädagoge Kevin Gröwig. Zur Anlage gehören noch eine große Scheune, Speicher und Flachsdarre. Scheune und Wohnhaus stammen vom Spenneshof aus Süchteln-Hagen. Ursprünglich waren beide Gebäude von einem Wassergraben umgeben, der mit der Niers in Verbindung stand.
Im neben dem Wohnhaus aufgebauten Speicher wurde Saatgut aufbewahrt. Bis zum Bau des neuen Eingangs befand sich dort das Kassenhäuschen. Gröwig: „Vielen ist dabei nicht die Schönheit der Anlage aufgefallen. Da die Besucher meist direkt durchmarschiert sind, um sich vor dem Tor einen Überblick auf das Gelände zu verschaffen.“ Durch die geänderte Situation sei Viersen-Hagen wieder mehr in den Fokus gelangt.
Die Scheune ist größer als der Wohnraum
Zurück zum Speicher aus dem 18. Jahrhundert: Er war auch zeitweise Backhaus und Altenteil und stand früher auf dem Fückeshof in Schmalbroich-Wall. „Wir nutzen das Gebäude zurzeit nicht, aber das wird sich ändern“, so Gröwig.
Die Scheune war meist größer als das Wohnhaus. Denn sie hatte mehrere Funktionen: Lagerraum für Getreide und Heu, Stall, Stellplatz für landwirtschaftliche Geräte. Heute widmet sich die Scheune Berufen wie Küferei und Zimmermannshandwerk.
Das Wohnhaus besteht aus zwei Stockwerken. Unten lebte die Familie zusammen mit ihren Tieren. Im ehemaligen Stallteil sind Töpfereiartikel zu sehen. Im rückwärtigen Teil des Hauses gibt es einen Raum, auch Sonntagsteil genannt, der nur sonntags, an Feiertagen und zu besonderen Anlässen geöffnet wurde. Dort weisen Decke und Boden eine Besonderheit auf. Der Keilenboden wurde mit Kieseln ausgelegt, die ihre Form durch Moränen erhielten. „Er wurde bei Straßenbauarbeiten entdeckt“, weiß Gröwig.
Die Folterwerkzeuge Christi
An der Decke befindet sich eine Stuckarbeit vom Bischofshof in St. Hubert-Voesch. Sie zeigt ein Arma-Christi-Kreuz auch Passionskreuz genannt. Hände und Füße zeigen die Wundmale Christi und die Geräte, mit denen ihm Leid zugefügt wurde, erklärt Gröwig. Unter anderem Nägel, Zange, Speer und Peitsche aber auch den Essigschwamm. Diese Stückarbeit sei Ausdruck der Volksfrömmigkeit gewesen. Eine schmale Treppe führt ins Obergeschoss mit den Schlafkammer.
Als Schmuckstück bezeichnet der Museumspädagoge die Flachsdarre. Sie stammt aus dem 18. Jahrhundert, gehörte ursprünglich zur Dorenburg und sei am Niederrhein eine Seltenheit geworden. In ihr wurde Flachs nach dem Rösten getrocknet. Zwei große Kamine und ein Wärmespeicher sorgten für die notwendige Temperatur. „Die Hitze musste richtig kalkuliert werden, der Flachs sollte kein Feuer fangen“, so Gröwig. Dies sei auch der Grund, warum Flachsdarren immer entfernt vom Wohnhaus gebaut worden seien.