Kempen: CDU wäscht öffentlich ihre schmutzige Wäsche

Der Stadtverband zerfleischt sich. Im Zentrum des Unmuts steht Jochen Herbst, der den Vorsitz an Eva Theuerkauf verlor.

Kempen. Die Gesichter im Saal des Kolpinghauses sprachen Bände: Blicke ungläubig zur Decke oder starr in die Menge gerichtet, fassungsloses Kopfschütteln - nicht nur in den Gesichtern am Vorstandstisch, sondern auch bei vielen anderen der mehr als 220 CDU-Mitgliedern. Sie erlebten, wie bei der Versammlung des Stadtverbandes die Aussprache zur persönlichen Abrechnung des Vorstands mit dem Noch-Vorsitzenden Jochen Herbst geriet.

Bereits im Vorfeld ließen sich Ungereimtheiten erkennen, weil Herbst nicht vom Vorstand zur Wiederwahl vorgeschlagen wurde, sondern stattdessen Ratsfrau Eva Theuerkauf (48/Foto) aus St.Hubert. Auch Geschäftsführerin Heike Höltken wurde nicht nominiert, obwohl der Vorstand keinen anderen Kandidaten präsentieren konnte.

Den Anfang in der Aussprache machte der frühere Bundestagsabgeordnete Julius Louven, der den Bericht des Vorsitzenden scharf anging. Er bemängelte das Fehlen von politischen Diskussionen in der Partei und sagte- mit Blick auf Sommerfest, Burgturm-Besteigungen und ähnliches - die CDU verkomme "zu einer Vergnügungs- und Reiseagentur". Man solle über Grundsätze und nicht Personen diskutieren. Louven: "Die Kempener CDU hat ihren Einfluss in der Kreispartei verloren."

Vorstandsmitglieder meldeten sich zu Wort, die sagten, eine konstruktive Arbeit sei mit Jochen Herbst nicht möglich. Beisitzer Stephan Wolters schilderte, dass Vorstände angegriffen würden. Und Beisitzer Klaus Wollersheim, er sei in übelster Art beschimpft worden.

Herbst versuchte die Wogen zu glätten, erklärte die Angriffe mit seinem Temperament: Zudem sei es nicht ungewöhnlich, dass es in Fraktion und Partei unterschiedliche Ansichten gebe.

"Es ist korrekt, dass man in der Sache unterschiedlicher Meinung sein kann", entgegnete der Fraktionsvorsitzende Wilfried Bogedain, aber die vergangenen Jahre seien von persönlichen Attacken statt von sachlichen Diskussionen geprägt gewesen.

Bogedain berichtet, ihm werde unterstellt, er habe Herbst sowie die Geschäftsführerin Heike Höltken gemobbt. Er habe vielmehr erfolglos versucht, eine Lösung für die Spaltung des Vorstandes zu finden. Er erzählte aus Gesprächen, in denen er aufgefordert worden sei, Herbst zu unterstützen, um St. Hubert - Theuerkauf wohnt dort- zu "verdrängen". Bogedain: "Eine solche Spaltung sollte der Vergangenheit angehören." Er bat darum, die Weichen für einen Neuanfang zu stellen. Heike Höltken warf ihm vor, "alles kritisiert zu haben, was ich gemacht habe".

Den Tiefpunkt steuerte der Ex-Bürgermeister Karl Hensel bei, der sehr persönlich wurde: "Mein Urteil über Sie ist vernichtend", sagte er in Richtung Herbst. Und erntete Buh- und Zwischenrufe: "Das ist Demontage", tönte es aus der Versammlung. Hensel vermisste politische Initiative. Er habe nur Querschüsse bemerkt. Eine vernünftige Arbeit mit der Fraktion sei nicht möglich. Herbst könne den Vorstand nicht zusammenhalten. Hensel: "Das ist ein Tollhaus. Unter Ihrer Führung verkommt die Partei."

Andere CDU-Mitglieder griffen zum Mikrofon, und zeigten sich empört. Die Diskussion erinnere an "Mädchenpensionat" und "Kindergarten".

In ihrer Vorstellungsrede warb Theuerkauf für mehr Respekt und sagte, dass sie "Diskussionsfreude in den Gremien und Geschlossenheit nach außen" fördern wolle. Sie möchte, dass Kempens Stimme im Kreis wieder Gewicht bekommt.