Gedenkstunde zur Reichspogromnacht in Kempen „Eine angegriffene Nation darf sich wehren“

Kempen · Bei der Gedenkstunde „Gegen das Vergessen“ an der Umstraße standen am Donnerstagabend die Eindrücke des Krieges in Israel und Palästina in den Mittelpunkt. KGMV-Vorsitzende Ina Germes-Dohmen fand klare Worte.

 Zahlreiche Kempenerinnen und Kempener versammelten sich am Donnerstagabend an der Umstraße, wo sich ein Mahnmal für die frühere Synagoge befindet.

Zahlreiche Kempenerinnen und Kempener versammelten sich am Donnerstagabend an der Umstraße, wo sich ein Mahnmal für die frühere Synagoge befindet.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

(hk) Es ist jetzt 40 Jahre her: Am 18. Dezember 1983 wurde an der Umstraße ein Ehrenmal eingeweiht, das an die Verfolgung der Kempener Juden erinnert und im Besonderen an die Brandschatzung ihrer Synagoge am Vormittag des 10. November 1938. Seit 20 Jahren findet dort alljährlich eine Gedenkveranstaltung des Kempener Geschichts- und Museumsvereins (KGMV) statt – angeregt durch seine damalige Vorsitzende, die 2017 verstorbene Margret Cordt.

So entstand die Tradition einer Gedenkstunde „Gegen das Vergessen“, die überparteilich und nichtkirchlich ist und deshalb alle Bürger mitnimmt, ungeachtet ihrer konfessionellen und politischen Einstellung. In diesem Jahr trug die Versammlung einen besonderen Charakter. Denn in ihrer Ansprache stellte die KGMV-Vorsitzende Ina Germes-Dohmen die Eindrücke des Krieges in Israel und Palästina in den Mittelpunkt.

Germes-Dohmen fand klare Worte. „Eine angegriffene Nation darf sich wehren, auch wenn das neues Leid nach sich zieht.“ Dies habe beim Ukraine-Krieg gegolten, das gelte auch jetzt. „Israel hat das gleiche Recht, sich zu verteidigen. Seine Existenz darf nicht in Frage gestellt werden.“ Auch wenn in Kempen bislang keine Demonstrationen wie in Berlin und Essen stattgefunden hätten, sei jeder aufgefordert, beherzt und mutig den Äußerungen von Hass und Gewalt entgegenzutreten.

Die Vorsitzende appellierte an ihre Zuhörer, bei Übergriffen und Diskriminierungen nicht als schweigende Mehrheit wegzuschauen. Vielmehr habe jeder Einzelne die Pflicht, sei er Jude, Christ oder Muslim, die Rechte eines jeden, der zu Unrecht angegriffen würde, zu verteidigen. Wobei sie Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) zitierte: „Der Aufruf zur Gewalt gegen Juden oder das Feiern der Gewalt gegen Juden sind verboten!“

Kurt Tucholsky habe einmal gesagt: „Ein Land ist nicht allein das, was es tut, sondern auch, was es toleriert.“ Aufgabe eines jeden sei es, sich daran messen zu lassen und keine falsche Toleranz auszuüben. Weder dürfe islamistischer Antisemitismus hingenommen werden, den eine Minderheit von Muslimen in unsere Gesellschaft trage, noch der Antisemitismus von rechts oder links, der mindestens genauso gefährlich sei.

Zu Beginn der Veranstaltung hatte Elisabeth Friese, stellvertretende Vorsitzende des KGMV, Gedanken vorgetragen, die der Aachener Bischof Klaus Hemmerle 50 Jahre nach dem Nazi-Pogrom vom November 1938 ausgesprochen hatte: „Man hat meinem Gott das Haus angezündet.“ Die musikalische Begleitung leistete wie jedes Jahr Herbert Holtemeyer mit seinem einfühlsamen Spiel auf dem Sopran-Saxophon. Abschließend intonierte er das jüdische Lied: „Hevenu Shalom Alechem…“ („Wir wollen Frieden für alle!“). Was sich nicht nur auf den Nahen Osten bezog. 160 Teilnehmer sangen leise mit – trotz strömenden Regens.