Kempen: Rolf Wilmen erinnert sich an seine Kneipe an der Kerkener Straße „Es war eine Bombenzeit“

Kempen · Fast 30 Jahre lang führte „Rolli“ Wilmen eine Gaststätte an der Kerkerner Straße.

Rolf Wilmen erinnert sich gerne an seine Kneipe an der Kerkener Straße. Das Gebäude wurde nun abgerissen.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Begonnen hat die gastronomische Karriere von Rolf Wilmen bereits mit 15 Jahren, als er bei Willi Stecker im alten Tivoli Haus am Bahnhof aushalf. Mit Stecker ging er auch zu „Schick“ an der Mülhauser Straße, arbeitete zudem in der Traberklause neben seiner eigentlichen Arbeitsstelle bei SAB in Süchteln. Damals befand sich an der Kerkener Straße die Gaststätte Madert. „Das war ein kleiner Raum. Dazu gehörte noch eine Kohlenhandlung“, erinnert sich Wilmen. Als man ihm das Angebot machte, die Gaststätte zu übernehmen, dachte er sofort: „Dat wär wat für mich.“ Seine damalige Freundin Renate war da etwas skeptischer: „Ich hab doch noch nie in der Küche gestanden“, war der Gedanke der gelernten Friseurin, die im elterlichen Salon am Buttermarkt arbeitete. Es war ein Sonntagmorgen, als ihr Zukünftiger nach dem Frühschoppen bei Weinforth mit der Idee nach Hause kam, das kleine Lokal – damals schon Vereinslokal der Prinzengarde – zu übernehmen.

75 Hektoliter Bier
im ersten Monat verkauft

Die Idee war nicht mehr aufzuhalten. Renate und Rolf heirateten und eröffneten wenige Tage später, am 1. Oktober 1971, die Gaststätte Wilmen. „Wir hatten einen Anfang, der war nicht zu übertreffen“, erinnert sich Rolli Wilmen, der damals schon viele Kempener kannte. „75 Hektoliter Bier haben wir im ersten Monat verkauft – das vergess’ ich nie.“

Zum Start war durchgehend geöffnet. Es gab keinen freien Tag. Morgens um 10.30 Uhr ging der Betrieb schon los. Die Eltern der beiden jungen Gastronomen packten mit an. Geschlafen wurde nur wenig. Die Gaststätte war um ein Zimmer im Neubau nebenan gewachsen. Mit kleinem Essen fing es an: Käseschnittchen, Strammer Max und ähnliches. Aber die Fähigkeiten von Renate Wilmen in der Küche wuchsen und damit auch die Speisekarte. Schnitzel waren beliebt, Fisch- und Muschelessen besonders gefragt, aber auch die Reibekuchen mittwochs und freitags. Beim Kartoffelhof Birmes hatte Rolli sein eigenes Lager. „Meine Mutter hat nur Kartoffeln geschält für uns“, erinnert sich Renate Wilmen. Alles gab es auch außer Haus. Mittags gingen per Fax die Bestellungen von den Firmen für die Mittagspause ein.

Mehr als 2800 Beerdigungskaffees, das hat Wilmen zusammengezählt, wurden in seiner Gaststätte abgehalten. Morgens seien schon 150 bis 200 Leute da gewesen. Darunter viele Lehrer und Schüler, die in ihren Freistunden bei Rolli eine Cola tranken, eine Suppe oder Frikadelle zu Mittag aßen. Es kam auch vor, dass die Lehrer der Berufsschule in der Kneipe ihre Zeugnisse ausgaben, erinnert sich Wilmen.

Jeden Tag waren Vereine da: Martins-Verein, Sportvereine, Schützen, Philatelisten, die Straßengemeinschaft Alwa und einige mehr. Als Vereinslokal vieler Kempener Karnevalsvereine war Wilmen natürlich eine Hochburg des närrischen Treibens. Auch Prominenz schaute in der Gaststätte vorbei. Der Schauspieler Günther Schramm und Fußballtrainer Karl-Heinz „Kalli“ Feldkamp fallen Rolli Wilmen da ein.

In Spitzenzeiten waren
früher 16 Mitarbeiter im Einsatz

In der Hochzeit waren 16 Mitarbeiter zusammen mit Rolf und Renate Wilmen und deren Eltern rund um die Wirtschaft im Einsatz. Für den traditionellen Ausflug im Sommer brauchte man einen Kleinbus. Eine besonders treue Begleiterin war Anneliese Voss, die 25 Jahre lang im Service gearbeitet hatte und von den Gästen immer sehr geschätzt wurde, berichten Rolli und Renate Wilmen.

Wenn man Gastwirt ist, sagt Rolli Wilmen heute noch, müsse man das erste Wort betonen: Der Gast müsse im Vordergrund stehen. Wenn die Polizisten nach der Schicht am Nachmittag zum Doppelkopfspielen vorbeikommen wollten, dann machte er selbstverständlich die Tür früher auf.

46 Gaststätten, so hat es Wilmen notiert, gab es zu seiner Zeit in Kempen. Aber Wilmen erlebte auch, dass sich die Gastronomie veränderte. Die Älteren, die noch an den Stammtischen saßen und Karten spielten, „starben weg“. Die Schulzeiten veränderten sich und weniger Schüler kamen. Das Rauchverbot war ein einschneidendes Ereignis.

Aus gesundheitlichen Gründen musste Wilmen die Gaststätte aufgeben. Die Bierhefe machte seiner Haut zu schaffen und er durfte selbst nicht mehr hinter dem Zapfhahn stehen. Da entschied er, den Laden aufzugeben. Dank Curd Louis Dahlmann, der  schon als Schüler bei Willmen zu Gast war, fand er bis zur Rente beim Self-Markt an der Otto-Schott-Straße  eine neue Stelle.

Dass es heute immer weniger Kneipen in Kempen gibt, bedauert er sehr. Seine Nachfolger, unter denen die Gaststätte Zur Alten Wache und Zum Bergwirt hieß, hielten sich nicht so lange wie der legendäre Kempener Wirt.

Auch wenn das Ehepaar Wilmen heute seltener in Kneipen anzutreffen ist, so hat sich ihr Einfluss immer noch spürbar. Zum Beispiel im Wirtshaus. Das Muschelrezept dort ist „à la Rolli und Renate“, wie Rolli Wilmen schmunzelnd verrät.