Älterwerden in Kempen Warum man sich rechtzeitig um eine Betreuung kümmern sollte
Kempen · Durch Unfall oder Krankheit kann jeder in die Lage kommen, rechtliche Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen zu können. Ehrenamtliche Betreuer können dann helfen. Unterstützung finden sie beim SKF in Kempen.
Bei Hermann Meier stapelt sich die Post auf dem Esstisch. Ungeöffnete Briefe, Rechnungen, Mahnungen. Der 84-Jährige vergisst, sie zu öffnen und die Rechnungen dann auch zu bezahlen. Seine Nachbarn bemerken das, sie helfen ihm, werfen die Überweisungsträger bei der Bank ein, bestellen auch Essen auf Rädern, damit Meier regelmäßig etwas isst. Doch es kommen immer mehr Briefe, von der Stadt, von Versicherungen. Die Nachbarn haben keinen Zugriff auf Meiers Konto und fragen sich jetzt: „Wer kann jetzt helfen?“
Dieser aufgezeigte Fall ist rein fiktiv, doch solche Situationen gibt es immer wieder. Nicole Ullrich und Oliver Chlosta vom Sozialdienst katholischer Frauen (SKF), Ortsverein Kempen, werden damit praktisch täglich konfrontiert. „Oft sind es Kleinigkeiten im Alltag, die sich häufen“, sagt Ullrich, „der Betroffene hat nichts eingekauft, oder seine PIN vergessen.“ In solchen Fällen können Angehörige eine rechtliche Betreuung anregen, beispielsweise beim Amtsgericht oder bei der Betreuungsstelle des Kreises Viersen. Sie ist für alle Bürgerinnen und Bürger im Kreis Viersen zuständig. Eine Ausnahme bildet die Stadt Viersen, sie führt eine eigene Betreuungsbehörde.
Die rechtliche Betreuung ist für den SKF in Kempen derzeit ein großes Thema. Der SKF ist ein anerkannter Betreuungsverein, führt selbst rechtliche Betreuungen mit drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, bietet aber auch Unterstützung für ehrenamtlich tätige, vom Amtsgericht bestellte rechtliche Betreuer an, die in der Angehörigenbetreuung oder Fremdbetreuung tätig sind. Was viele nicht wissen: Im Betreuungsrecht hat sich zum 1. Januar dieses Jahres einiges geändert, die Reform sei „die größte, die es je gab“, sagt Ullrich. Ziel der Reform: die Selbstbestimmung betreuter Menschen und die Qualität der rechtlichen Betreuung zu stärken.
Es geht um Erwachsene, die durch eine Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage sind, ihre rechtlichen Angelegenheiten selbst besorgen zu können. Und das kann jeden treffen, macht Ullrich deutlich: „Jeder kann in seinem Leben irgendwann in eine Situation kommen, in der er eine Betreuung braucht, sei es durch einen Unfall oder einen Schlaganfall.“ In der Regel schaue man dann im Familien- oder Bekanntenkreis, ob es dort jemanden gebe, dem man vertraue, sagt Chlosta. Und das ist auch so gedacht: Nach dem neuen Betreuungsrecht wird ein Betreuer nur dann bestellt, wenn es erforderlich ist, wenn also keine anderen Hilfen verfügbar sind, etwa durch Angehörige, Bekannte oder soziale Dienste. Betreuungsbehörden sollen betroffene Menschen so unterstützen, dass die rechtliche Betreuung entbehrlich ist.
Ist dennoch ein Betreuer notwendig, soll dieser sich so um die Angelegenheiten der betreuten Person kümmern, dass diese ihr Leben möglichst nach ihren Wünschen gestalten kann. „Es geht nicht darum, den Menschen zu gängeln“, sagt Ullrich. „So lange der Wille geäußert werden kann, ist der Wille des Betreuten gesetzt.“ Und bei der Auswahl des Betreuers soll das Gericht die Wünsche der zu betreuenden Person berücksichtigen. Was neu ist: Ehrenamtliche Betreuer sollen stärker an Betreuungsvereine angebunden werden, dort Unterstützung bekommen. Wenn sie keine familiäre Bindung oder eine persönliche Beziehung zum Betreuten haben, dürfen sie in der Regel nur dann bestellt werden, wenn sie sich einem Betreuungsverein anschließen, „das gilt zum Beispiel für den Nachbarn, wenn er die Betreuung für Herrn Meier übernehmen will“, erklärt Chlosta. Auch bei der Übernahme einer Angehörigenbetreuung wird die Anbindung an einen Verein empfohlen.
Weil jeder einmal in die Lage kommen könnte, einen Betreuer zu benötigen, rät Chlosta, „in guten Zeiten eine Betreuungsverfügung aufzusetzen und zu bestimmen, wen ich als rechtlichen Betreuer haben möchte – und wen vielleicht nicht.“ Ideal sei zusätzlich eine Patientenverfügung sowie eine Vorsorgevollmacht, die Unterlagen könne man etwa beim Hausarzt hinterlegen oder vor einem Eingriff mit ins Krankenhaus nehmen. Chlosta: „Es ist gut, wenn man sich rechtzeitig damit auseinandersetzt.“