Denkmäler in Kempen Wie die Kempener Stadtmauer entstand

Serie | Kempen · Die Stadt war einst von einer Ringmauer umgeben, verstärkt durch vier Torburgen und 20 Türme, umgeben von einem doppelten Wassergraben. Ihr kreisförmiger Verlauf bestimmt noch heute den Umriss der Altstadt.

Die Rekonstruktion der Stadtmauer aus den 1960er Jahren gibt einen Eindruck, wie wuchtig Kempens mittelalterliche Mauer war.

Die Rekonstruktion der Stadtmauer aus den 1960er Jahren gibt einen Eindruck, wie wuchtig Kempens mittelalterliche Mauer war.

Foto: Norbert Prümen

5. Juni 1288: Bei Worringen tobt eine blutige Schlacht. Für die Entwicklung des Dörfchens Kempen zur Stadt ein entscheidendes Datum. Kempens Landesherr, der Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg, erleidet gegen eine Allianz unter Führung des Herzogs von Brabant eine vernichtende Niederlage. Nach fünfstündigem Kampf liegen am Nachmittag 1100 Getötete auf dem Schlachtfeld, von Pferdehufen teilweise bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. 700 Verwundete werden in den nächsten Wochen an ihren Blessuren sterben.

Der Kölner Erzbischof Siegfried hat sich das anders vorgestellt. Noch am 16. August 1284 hat er südlich vom heutigen Tönisberg mit dem Grafen Rainald von Geldern einen Beistandspakt geschlossen – wovon heute eine Erinnerungsstätte an der Vinnbrück zeugt, gestaltet vom Tönisberger Künstler Lutz Weynans und am 30. Juni 2013 vom Tönisberger Heimatverein eingeweiht, in enger Abstimmung mit der Stadt Kempen.

Aber bei Worringen waren die Gegner des Erzbischofs stärker. Die Sieger bedrohten nun die erzbischöfliche Vormachtstellung am Niederrhein. Da half nur eins: Die Grenzorte des Erzstifts Köln mussten befestigt werden – allen voran die nördlichste Bastion Kempen, im Westen und im Nordosten bedroht von den feindlich gesonnenen Grafen von Jülich und Kleve. Woraufhin sich das Dörfchen Kempen auf Geheiß des Erzbischofs eine erste Befestigung zulegte – und dadurch eine stolze Stadt wurde.

In einer Urkunde vom 3. November 1294 wird der Ort als erster im Gebiet des heutigen Kreises Viersen „Stadt“ genannt, gefolgt von Dülken (1364), Süchteln (zwischen 1364 und 1372) und Brüggen (1398/99). Kaldenkirchen und Alt-Viersen erhielten die Stadtrechte erst 1856.

 Das Modell des Museums Burg Linn in Krefeld zeigt, wie Kempen als befestigte Stadt um 1600 aussah.

Das Modell des Museums Burg Linn in Krefeld zeigt, wie Kempen als befestigte Stadt um 1600 aussah.

Foto: Kreisarchiv Viersen

Die beiden darauffolgenden Jahrhunderte waren bis heute Kempens größte Zeit. Ab 1319 ersetzten seine Einwohner die bis dahin angelegten Erd- und Holzwerke ihrer ersten Befestigung durch Bollwerke aus Stein. Vier höhere Türme sollen schon im Zusammenhang mit der ersten Umwallung entstanden sein. Als nun die Ringmauer wuchs, setzte man zusätzlich 16 halbrunde Turmbauten davor, die zur Stadtseite mit dem Mauerverlauf geradlinig abschlossen. Um 1350 ist eine 1830 Meter lange Ringmauer fertig gestellt, verstärkt durch vier Torburgen und 20 Türme, umgeben von einem doppelten Wassergraben. Ihr kreisförmiger Verlauf, der Kempener „Rundling“, bestimmt heute noch den Umriss der Altstadt.

Die Sicherheit ihrer Befestigung macht die mittelalterliche Stadt zu einem gefragten Handelsplatz. Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts verfügt Kempen über sechs Jahrmärkte; das ist einzig im Erzbistum Köln. Korn ist damals Kempens wichtigstes Absatzprodukt. Aber auch Tuche, Leinen, Vieh, Öl und Bier. Um 1400 ist das mauergeschützte Kempen der unbestrittene Handels-Mittelpunkt zwischen Rhein und Maas; zwischen Geldern und Straelen, Neuss und Mönchengladbach. Für die damalige Zeit eine mittlere Großstadt, deren Fläche das Zwanzigfache des damaligen Krefelder Stadtbezirks beträgt.

Als nach Jahrhunderten die Befestigung bröckelig geworden ist, wird mit Genehmigung des Landesherrn vom 3. April 1773 die Ringmauer abgetragen. Übrig bleibt ein Mäuerchen, das nachts Sicherheit gegen Eindringlinge bieten soll. Das ist in Teilen als Rekonstruktion heute noch vorhanden. An die Wucht der mittelalterlichen Befestigung erinnert eine 1966-1967 errichtete Mauer-Rekonstruktion neben der Mühle am Hessenwall. Sie wurde wieder aufgebaut auf Initiative des damaligen Kreisarchivars Walther Föhl auf der Basis einiger Mauerreste und nach der Vorlage historischer Abbildungen.