Kempener Kindheit im Krieg

Heinz Cobbers ist einer der noch lebenden Zeitzeugen der Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg. Davon berichtete der Architekt nun einigen Realschülern.

Foto: Friedhelm Reimann

Kempen. Die Bomber kamen von Nordwesten: amerikanische Mustangs. Am Vormittag des 8. November 1944 griffen sie im Kempener Stadtgebiet kriegswichtige Ziele an: das Bahngelände mit seinen 20 Gleisen, das Wehrmeldeamt in der Villa Horten an der Thomasstraße, die NSDAP-Zentrale im alten Rathaus am Markt. Fünf Menschen kamen ums Leben, etwa 20 wurden durch Bombensplitter verletzt.

Heinz Cobbers, 1933 geboren, ist einer der noch lebenden Zeitzeugen, die von diesem Angriff noch aus eigenem Erleben berichten können. Cobbers, in Kempen lange Jahre Sprecher der FDP-Fraktion und renommierter Architekt — unter anderem hat er das heutige Kolpinghaus und das Rathaus am Buttermarkt gebaut — lebt nach einem Schlaganfall seit sechs Jahren im St. Peter-Stift. Dort befragten ihn jetzt vier Realschüler mit ihrer Geschichtslehrerin Dagmar Ruyters nach seinen Erinnerungen an den Krieg.

Cobbers spricht abgewogen und differenziert, geht auf die Hintergründe ein. „Wenige hundert Meter von meinem Elternhaus Thomasstraße 18 lag die Eisenmöbelfabrik Arnold“, berichtet er. „Sie produzierte damals Flugzeugteile und Geräte für die deutsche Rüstung und wurde am 28. September 1944 aus der Luft angegriffen. Seither ließ mich die Angst vor Bombern nicht mehr los. Deshalb habe ich die Menschen bei uns zu Hause rechtzeitig vor dem neuen Angriff gewarnt.“

Wie er das gemacht habe, will Sarah (16) wissen. „Ich kehrte gerade den Hof“, erinnert sich Cobbers. „Da sah ich fünf oder sechs Jagdbomber in Richtung Voesch umeinander kurven. Laut rufend stürmte ich zu den Gesellen meines Vaters in unsere Schreinerwerkstatt. Gerade noch rechtzeitig hasteten sie in unseren Luftschutzkeller. Ich riss meiner Mutter in der Küche die Kartoffelschüssel aus der Hand und drängte sie in den Keller. Unmittelbar darauf wurde unser Haus durch eine Bombe in einen Schutthaufen verwandelt.“ Durch seinen Einsatz hat der elfjährige Heinz Cobbers damals wohl zehn Menschen das Leben gerettet.

Die Jugendlichen stellen weitere Fragen. Cobbers gibt ausführlich Antwort; etwa, wie er bei Luftalarm mit 40 Mitschülern aus mehreren Klassen Unterricht im Heizungskeller des Thomaeums bekam. Über die schlechte Versorgung im Krieg: „Die Mutter schirmte vor uns Kindern den Brotschrank ab.“ Ob er etwas von der Verfolgung der Juden mitbekommen habe? „Als Kind nicht so viel“, antwortet er. „Ich erinnere mich nur an eine alte Frau von unserer Straße, die ihren Judenstern mit der Einkaufstasche verbarg, aus Angst, angepöbelt zu werden.“ Die Schüler haben sich informiert: Gemeint ist die allein lebende Helene Simon, Thomasstraße 4 a. Bei ihrer Deportation im Juli 1942 war sie 73 Jahre alt. Simon wurde im KZ Treblinka ermordet.

„Das Interesse der jungen Leute ist die Voraussetzung dafür, dass sich so etwas nicht wiederholt!“, erklärt Heinz Cobbers zum Schluss.