Kinderbetreuung Sorge um die Kita-Versorgung: Bis zu 80 Plätze könnten fehlen

Kempen · In seiner letzten Verwaltungsvorlage zum Thema muss Dezernent Michael Klee schlechte Zahlen verkünden. Weil die Neubauten weiterhin fehlen, wird es im Sommer zu einem massiven Engpass in der Kinderbetreuung kommen.

 Die Kita Bärenstark hat keine Zukunft mehr. Schon jetzt sind die Bedingungen laut Stadt eine Belastung für Kinder und Personal.

Die Kita Bärenstark hat keine Zukunft mehr. Schon jetzt sind die Bedingungen laut Stadt eine Belastung für Kinder und Personal.

Foto: Norbert Prümen

Irgendwie hat es in der Kempener Kita-Planung immer noch geklappt, dass alle Eltern mit einem Betreuungsplatz versorgt werden konnten. Darauf wies der scheidende Dezernent Michael Klee jüngst im WZ-Interview noch einmal hin. In der letzten Verwaltungsvorlage von Klee, dessen Dienst Ende März endet, muss er aber Zahlen bekanntgeben, die mit großer Sorge zu betrachten sind. Nach derzeitigem Stand werden der Stadt Kempen im Kita-Jahr 2020/21 etwa 60 Betreuungsplätze fehlen. 30 davon für Kinder unter drei (U 3) bzw. zwei Jahren (U 2) und 30 für Kinder über drei Jahren (Ü 3).

Damit nicht genug: Sollte die Stadt die bestehende „Notgruppe“ im Campus nicht für ein weiteres Jahr genehmigt bekommen, würden weitere 20 Plätze (Ü 3) fehlen. Macht im schlimmsten Fall also 80. 80 Familien, die auf einen Kita-Platz angewiesen sind. Und 50 Eltern, die womöglich einen Klageweg beschreiten. Denn im Landesgesetz ist das Recht auf einen Kita-Platz (Ü 3) festgeschrieben.

Bereits kurz vor Weihnachten musste Bürgermeister Volker Rübo eingestehen, dass im Sommer ein Versorgungsengpass droht. Die Ursache dafür ist, dass es die Stadt immer noch nicht geschafft hat, die bereits beschlossenen Neubauten zu realisieren – geschweige denn mit dem Bau zu beginnen. So waren bislang zwei neue Kitas an der Bendenstraße in St. Hubert und am Schmeddersweg in Kempen ab Sommer in der Betreuungsplanung vorgesehen. Diese Plätze musste Dezernent Klee nun streichen. Inzwischen sind zwar schon drei neue Kitas für die Haushaltsjahre 2020 und 2021 vorgesehen. Wann die dafür zur Verfügung gestellten Mittel von 14 Millionen Euro abgerufen werden, ist aber weiterhin offen. Für den Bereich Schmeddersweg, der im Planungsgebiet des neuen „Kempener Westens“ liegt, wurde immerhin schon die erforderliche Änderung des Flächennutzungsplans auf den Weg gebracht. An diesem hängt nicht nur das Kita-Projekt, sondern auch der Bau zweier Seniorenheime durch die Hospital-Stiftung.

Mit Blick auf die Bendenstraße gibt es noch keinen neuen Stand. Dort ist ein Neubau neben der bestehenden Kita Bärenstark vorgesehen. Dort drängt die Zeit aus einem weiteren Grund, den Dezernent Klee in der Vorlage deutlich zum Ausdruck bringt: „In St. Hubert besteht dringender Bedarf zur Verlagerung der Kita Bärenstark in den bereits beschlossenen Neubau an der Bendenstraße. Die Geruchsentwicklung der Einrichtung aufgrund der bekannten Baumängel belasten nach wie vor Team, Kinder und deren Familien.“

In der Vorlage wird zudem deutlich, dass die stockenden Neubaupläne auch Auswirkungen auf das Thema „Notgruppen“ haben. Denn die bestehende „Notgruppe“ im Campus wird nach Angaben der Stadt nur erneut genehmigt werden, wenn tatsächlich konkrete Neubaupläne vorgelegt werden können. Gleiches gelte für weitere Notlösungen, an die gedacht werde. Die Entscheidung über die Genehmigungen trifft der Landschaftsverband.

Schon im laufenden Kita-Jahr konnte die Stadt nicht alle Eltern „wohnortnah“ mit einem Kita-Platz versorgen. Dies wird laut Klee im kommenden Jahr ebenso sein. Familien aus dem Kempener Norden, Süden und Mitte müssten zunehmend Fahrtwege nach St. Hubert in Kauf nehmen. „In Tönisberg gewinnt die Versorgung zunehmend an Brisanz“, heißt es in der Vorlage. Die zum 1. August geplante Fertigstellung der Erweiterung des Antonius-Kindergartens bringe eine „kleine Entlastung“ in der Versorgung von Ü 3-Kindern. Allerdings sei dort die Belegung mit U 3-Kindern durch die Betriebserlaubnis gedeckelt. Nur in der Kita Schlösschen gebe es die Möglichkeit zur Betreuung von U 3- und U 2-Kindern. Weitere Ausbaumöglichkeiten bestünden bei beiden Gebäuden nicht mehr. Alternative Angebote in St. Hubert oder gar Kempen seien den Eltern wegen der großen Entfernung nur schwerlich zumutbar.

Für die Zukunft schreibt Klee der Stadt Kempen ins Aufgabenbuch, dass der Neubau der Kitas „oberste Priorität“ haben muss. Andernfalls müssten in der Bedarfsplanung Veränderungen vorgenommen werden, um wenigstens den gesetzlich verankerten Ü 3-Platz-Anspruch der Eltern erfüllen zu können. Folgende Planungsänderungen wären erforderlich:

Erstens: Das Platzangebot in den Kitas würde sich vorrangig am Ü 3-Bedarf ausrichten. Damit würde es weniger U 3-Plätze in den Kitas geben. Das wiederum würde eine Reduzierung der Landeszuschüsse bedeuten.

Zweitens: Der Bedarf an U 3-Plätzen müsste sich auf Tageseltern bzw. Tagespflegeeinrichtungen verteilen. In diesem Bereich hat die Stadt aber nach eigenen Angaben wenig Steuerungsmöglichkeiten. In der Kindertagespflege arbeiten die Betreiber selbstständig und könnten demnach nicht in die städtischen Aufnahmekriterien eingebunden werden.

Aus diesen Änderungen folgert das Jugenddezernat – drittens: „Die Anzahl der fehlenden Betreuungsplätze und die ungedeckten Bedarfe werden somit zunehmen.“

Neben den fehlenden Plätzen haben die Kommunen auch weiterhin mit einem Personalmangel zu kämpfen. Auch darauf geht die aktuelle Vorlage noch einmal ein. Schon jetzt werde es angesichts des Faktes, dass bereits 50 Prozent der Kempener Kitas „überbelegt“ seien, eng. „Ansprüche an Bildungsqualität weichen dem Grundsatz einer zumindest der gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Betreuung für Kinder“, so die Verwaltung. „Aus pädagogischer Sicht müsste dringend gegengesteuert werden.“ Mit flexiblen Personalplanungen und der Schaffung von Stellen in der Praxisorientierten Ausbildung (PIA) habe die Stadt bereits ihr Bestes getan.

Das Personalproblem kann nach Ansicht von Michael Klee und seinem Team aber nur auf Landes- und Bundesebene gelöst werden. Bei Ausbildung, Qualifizierung und auch der Bezahlung müssten die Rahmenbedingungen geändert werden. Mit den bislang angedachten Strategien der Fachkräftegewinnung sei der Fehlbedarf nicht zu decken, zitiert der Dezernent aus einer Studie. In dieser heißt es außerdem, dass bis 2025 bundesweit in Kindergärten und Grundschulbetreuung (dort kommt der gesetzliche OGS-Anspruch) bis 329 000 zusätzliche pädagogische Fachkräfte fehlen könnten.