Kritik an digitaler Ausrichtung des Raderlebnistages „Route 47 mussten wir schon nachdrucken“
Kreis Viersen · Erstmals fand am Sonntag der Raderlebnistag Niederrhein statt, der digitale Nachfolger des Niederrheinischen Radwandertages. Doch ganz so digital wollten es viele Radler gar nicht. Was sie vermissten.
Der erste Raderlebnistag Niederrhein ist am Sonntag gut angenommen worden. Immerhin war es trocken, und vielerorts waren Radelnde unterwegs, um die für den Raderlebnistag ausgewählten Strecken zu erkunden. Der Raderlebnistag ist der Nachfolger des über viele Jahre durchgeführten Niederrheinischen Radwandertages – mit neuem Konzept und digitaler Ausrichtung. Allerdings stieß die neu geforderte Online-Registrierung und das Arbeiten mit den QR-Codes unterwegs nicht überall auf Begeisterung.
Am Stand auf dem Kempener Buttermarkt, wo sonst die Stempel kreisten und viel am Stand erzählt wurde, zücken die Radler ihre Handys, stellen sich vor den aushängenden Plakaten mit den QR-Codes auf und scannen. Doch nicht immer klappt das wie gewünscht, was unter anderem an den verschiedenen Systemen liegt, die die Radler nutzen. „Wir mussten heute schon etliche Male Hilfestellung leisten. Teilweise klappt es, teilweise nicht“, sagt Ariane Müller.
Die regionale Koordinatorin des Raderlebnistages Kempen/Kreis Viersen ist zusammen mit ihrer Kollegin Julia Thiele vor Ort und wird mit der Kritik der Radler konfrontiert. Die sind nämlich nicht alle vom neuen System begeistert. Früher gab es Stempelkarten, über die man auch am Gewinnspiel teilnehmen konnte. Das ist jetzt nur noch mit Online-Registrierung und über QR-Codes möglich. Was auch für die Streckenführung gilt. Pfeile auf dem Boden gibt es fast keine mehr. Die Routen laufen überwiegend über das Knotenpunktsystem.
„Ich finde es sehr schade, dass es die Übersichtskarte nicht mehr gibt. Das war immer eine gute Unterstützung, wenn man von einer Tour zur anderen wechseln wollte, um möglichst viel vom Niederrhein zu sehen. Das fehlt mir wirklich“, sagt Wolfgang aus Kerken, der sich für die Route 48 entschieden hat. Auch Familie Schwarting sieht das neue System kritisch. „Da wünschen wir uns immer, dass die Kinder nicht so viel am Handy hängen und daddeln. Hier werden wir gezwungen, das Handy während der ganzen Tour einzusetzen. Außerdem fanden die Kinder die Stempelkarten toll. Mir fehlen auch die Pfeile, die sonst die Routen markierten. Gerade für die jungen Radler war es spannend, die Pfeile zu entdecken“, sagt Martina Schwarting.
Es sei beschämend, findet ihr Mann Alfred, dass durch die Zwangsbenutzung der QR-Codes Menschen ausgegrenzt würden. „Ich denke gerade an ältere Menschen, die übergangen werden. Zumal es bei dem Licht oftmals so ist, dass man auf dem Handydisplay überhaupt nichts erkennt, wenn es in einer Fahrradhalterung steckt. Und das Handy in der Hand halten kostet 30 Euro Strafe“, sagt er. Beide sind sich einig, dass es schön wäre, wenn man wie früher teilnehmen könnte. Dann könnte jeder entscheiden, ob er das neue, digitale System nutzen möchte oder nicht.
Eben diese Situation erlebte Müller vorab selbst. „Vor 14 Tagen war ein 83-jähriger Kempener bei mir im Amt, der kein Handy hat, nicht internet-affin ist und gerne mitfahren wollte. Ich habe ihm seine Wunschroute 48 ausgedruckt. Er war heute Morgen um 9 Uhr schon hier und hat sich dafür nochmals bedankt“, sagt Müller. Deshalb haben Müller und ihre Kollegin die vier Routen, die Kempener Gebiet berühren, auch alle im Ausdruck da.
Und diese Ausdrucke sind sehr gefragt, „die Route 47 mussten wir schon nachdrucken“, berichtet Müller. Aufgrund etlicher Familienanfragen könnte sie sich vorstellen, dass man im kommenden Jahr zumindest eine kleine Route in Kempen wieder komplett mit Pfeilen markiert und für die Kinder als Motivation auch wieder Stempelkarten einführt. Einige Pfeile gibt es jedoch. Radler würden sonst nämlich gar nicht den Weg zum Sommerfest von Familie Tölkes auf dem Köpershof finden, das dort nach dem großen Erfolg im vergangenen Jahr erneut stattfindet und Hunderte von Radlern mit buntem Programm begeistert.
„Ich würde das mit den QR-Codes hinkriegen. Aber gerade ältere Menschen haben da vielleicht Berührungsängste“, bemerkt Klaus Manke, der selbst nicht mitfährt. Vielmehr stellt er auf dem Buttermarkt ein besonderes Angebot vor. Er hat die Rikscha der Malteser mitgebracht. Die Malteser bieten sowohl in Kempen als auch in Grefrath für Senioren und beweglich eingeschränkte Menschen kostenfreie Rikscha-Fahrten an. „Einfach bei uns anmelden und eine Fahrt in und um Kempen oder Grefrath buchen“, sagt Manke, der zu den ehrenamtlichen Fahrern der Rikscha gehört.
An der Willicher Zwischenstation am Heimatmuseum „Kamps Pitter“ hat man sich indes schon vorher über die Menschen Gedanken gemacht, die nicht mit den QR-Codes und der digitalen Anmeldung arbeiten können oder dies nicht möchten. „Diese Radler können ja nicht am Gewinnspiel teilnehmen. Um der Ausgrenzung entgegen zu wirken, haben wir kleine Geschenke seitens der Stadt Willich und vom Heimatverein gesponsert“, sagt Birgit Morales-Benitez von der Stadt Willich, die in Schiefbahn vor Ort ist und gerade einem älteren Radler das vom Heimatverein gestiftete Buch „50 Jahre Willich“ geschenkt hat. Der Senior wäre zuvor sichtlich traurig gewesen und habe sich ausgeschlossen gefühlt, berichtet Morales-Benitez.
Sie plädiert daher ebenfalls dafür, dass im kommenden Jahr zwei Systeme genutzt werden und jeder selbst entscheiden kann, ob er digital oder nicht unterwegs sein will. Hinzu kommt ein anderer Punkt. „Wir nutzen das Knotenpunktsystem des Kreises Viersen, um auf die Pfeile verzichten zu können. Das führt zum einen an vielen Hauptstraßen entlang und ist nicht so interessant wie beispielsweise unser Willicher Radwegenetz. Wir haben dieses in Willich teilweise integriert, um schönere Streckenführungen bieten zu können. Zudem haben wir die uns betreffenden Strecken mit den Nummern 50, 56, 58 und 81 ebenfalls im Ausdruck vorliegen, um es den Radlern einfacher zu machen“, sagt Morales-Benitez.