Kreis Viersen:Ergebnisse über Unfälle mit radelnden Kindern sind ernüchternd Unfälle mit radelnden Kindern: Die Ursachenforschung geht weiter
Kreis Viersen · Die ernüchternden Ergebnisse der Sicherheits-Offensive Rad fahrender Kinder liegen vor.
Radelnde Mädchen und Jungen sind die Sorgenkinder der Kreispolizei. 28 Prozent aller im Jahr 2017 (die 2018er-Statistik wird erst am Mittwoch vorgestellt) im hiesigen Straßenverkehr verunglückten Personen waren Radler. Davon wiederum waren 18 Prozent Kinder. In absoluten Zahlen waren 92 Kinder und Jugendliche betroffen (2016: 102). Davon waren 62 jünger als 15 Jahre. Die sogenannte Verunglücktenhäufigkeitszahl (VHZ) beträgt im Kreis Viersen bei den jüngsten Radlern 160,05. Das war zwar besser als im Vorjahr (198,77), aber noch erheblich über dem NRW-Landeswert von 90,81. Damit ist der Kreis Viersen in dieser landesweiten Tabelle trauriger Spitzenreiter. Die VHZ ist die Zahl der bei Unfällen Verletzten und Getöteten je 100 000 Einwohner.
In der Ursachenforschung
nicht viel weiter
Vor diesem Hintergrund ist im Frühjahr 2017 das Projekt VORKIDS unter Schirmherrschaft von Landrat Andreas Coenen ins Leben gerufen worden. Die sieben großen Buchstaben stehen für Viersener Sicherheits-Offensive Rad fahrender Kinder im Straßenverkehr. Ende des vergangenen Jahres war die wissenschaftliche Arbeit der Deutschen Hochschule der Polizei abgeschlossen. Nun liegen die Ergebnisse vor.
Zunächst steht eine ernüchternde Feststellung: Mit Blick auf die Hauptfragestellung des Projekts – Warum verunglücken im Kreis Viersen so überproportional häufig Kinder mit dem Fahrrad? – konnten auch die Wissenschaftler keine Antwort finden. „Daher sind wir, was die Ursachenforschung angeht, leider nicht viel weiter gekommen“, so Andreas Coenen. Das sei einerseits zwar schade, „andererseits zeigt es mir als Leiter der Kreispolizeibehörde aber auch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei bisher gute Arbeit geleistet und nichts übersehen haben“. Das sei nun wissenschaftlich bestätigt.
Zehn- bis 14-Jährige und
Jungen besonders gefährdet
Fest steht: Besonders gefährdet, in einen Unfall verwickelt zu werden, sind die Zehn- bis 14-Jährigen im Kreis Viersen, Jungen mehr als Mädchen. Die meisten Unfälle passieren morgens zwischen sieben und acht Uhr. Allerdings nicht direkt an den Schulen, wie man vielleicht aufgrund des morgendlichen „Chaos“ (Stichwort Elterntaxis) annehmen würde. Auch wenn diese Bereiche nach wie vor als risikoreich gelten, kommt es eher in den Wohngebieten, dort also, wo die Schüler starten, zu Unfällen.
Michael Okuhn, stellvertretender Leiter der Direktion Verkehr, spricht gegenüber der WZ „vom ersten Kilometer“ auf dem Weg zu Schule. Aufgrund dieser Erkenntnis habe man die Konzepte angepasst. „Wir bleiben zwar auch vor den Schulen präsent, nehmen aber auch die Wohngebiete in den Fokus.“
Wichtig ist dem Polizeihauptkommissar, dass es keine „Kardinalursache“ gebe. Vielmehr sei es ein „Ursachengeflecht“, durch das die Polizei nun, dank der Untersuchung, tiefer hinein steigen könne. Als weiteres Beispiel für ein konkretes Ergebnis nennt er den oft fehlenden Blickkontakt zwischen Radler und Autofahrer. „Dafür wollen wir in der Verkehrserziehung verstärkt sensibilisieren.“
Das Unfallrisiko steigt, wenn die Jugendlichen in einer Gruppe (im „Pulk“) mit Gleichaltrigen unterwegs sind oder auf dem Geh- oder Radweg entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung fahren. Wenn der Radweg in Einmündungen oder Kreuzungen auf der linken Fahrbahnseite verläuft, passieren ebenfalls mehr Unfälle als an Orten, wo der Radweg auf der rechten Seite ist. Auch Knotenpunkte von Hauptverkehrsstraßen stellen ein höheres Unfallrisiko dar.
Besonders viele Unfälle gibt es laut Analyse in Viersen, Kempen, Nettetal und Willich. Setzt man die Zahl der Unfälle ins Verhältnis zur Zahl der zehn- bis 14-jährigen Einwohner der Orte, zeigen sich auch Schwerpunkte in Bracht und Grefrath. In Kempen und Viersen waren 2017 jeweils 17 der ganz jungen Radfahrer betroffen. In Nettetal waren es zehn, in Willich sieben und in Grefrath drei. In Tönisvorst verzeichnete die Polizei vier verunglückte Kinder.
Laut Michael Okuhn ist unter anderem geplant, einen speziellen Fragebogen für Unfallbeteiligte zu entwickeln, der die klassische Unfallaufnahme ergänzen soll. Durch sie erhofft sich die Polizei mehr Aufschlüsse zum Hergang. Beispiel: Ein Schüler wurde vom Auto erfasst, weil er über Rot gefahren ist. Doch warum ist er überhaupt über Rot gefahren? Vielleicht weil er sich mit anderen ein Rennen geliefert hat?