Luftangriff auf Kaldenkirchen: „Ein Bild des Grauens“
Rückblick: Am Pfingst-Wochenende 1940 gab es zum ersten Mal einen Luftangriff auf Kaldenkirchen. Zeitzeugen erinnern sich.
Kaldenkirchen. Es geschah am Pfingst-Wochenende 1940: In der Nacht von Samstag auf Sonntag erlebte Kaldenkirchen den ersten Luftangriff seiner Geschichte. "Mit furchtbarer Unmittelbarkeit war der Krieg völlig überraschend in die Grenzstadt gekommen", schreibt der Historiker Professor Dr. Leo Peters in seiner zweibändigen Stadtgeschichte über die Ereignisse. Offiziell gab es in der Zivilbevölkerung 13Tote und 14zum Teil schwer Verletzte. Die Zahl der getöteten Soldaten ist nie bekannt geworden. Mehrere Häuser im Ortskern lagen in Trümmern.
Emil Becker (88), der heute in Krefeld wohnt, hat die folgenschweren Ereignisse des 10./11.Mai 1940, den Überfall auf die Niederlande, aus Kaldenkirchener Sicht einmal beim Tabakkollegium und im Heimatbuch des Kreises 1965 beschrieben: "Nachdem die 30.Infanteriedivision wenige Stunden nach Angriffsbeginn den Raum ihrer Winterquartiere verlassen hatte, bewegten sich in den folgenden Stunden und Tagen Truppeneinheiten durch die Stadt in Richtung Grenze."
Becker weiter: "Am späten Abend und in der Nacht des Samstags marschierten in breiter Front Einheiten der 216.Infanteriedivision mit ihren Fahrzeugen von Breyell her durch die Kehr-, Hoch- und Steyler Straße. Trotz der späten Stunden standen viele Schaulustige an den Straßenrändern und den Fenstern der Häuser, um sich das militärische Schauspiel anzusehen."
Und weiter: "Kurz nach Mitternacht waren Flugzeuggeräusche zu hören. Um 0.10Uhr am Pfingstsonntag erstrahlte plötzlich das Stadtgebiet in hellem Licht einiger Leuchtbomben - schon schlugen Sprengbomben in Häuser und Hinterhöfe der Kehrstraße ein. Überall lagen tote und verwundete Soldaten und Zivilisten auf der Straße. Auch in den Häusern waren Menschen getötet oder verwundet worden. Zerfetzte Pferde, zerschlagene Fahrzeuge, Trümmer der zerborstenen Häuser - ein Bild des Grauens."
Auch Jochen Hild (80), der inzwischen in Brüggen lebt, erinnert sich an den Fliegerangriff vor 70Jahren: "Mein Vater war beim Pfingst-Bombenangriff 1940 zusammen mit einem jungen Militärarzt, der gerade sein Praktikum machte, sowie der Nonne Alodia, die er nach dem Ersten Weltkrieg aus einem Lazarett in Ostpreußen mit an den Niederrhein gebracht hatte, als Chirurg im Kaldenkirchener St. Clemens-Hospital tätig und hat im Tag-/Nacht-Einsatz einer Vielzahl von Bürgern des Ortes das Leben gerettet."
Hans (86) und Heinz (81) Buschmann berichten, dass sie um Mitternacht vor dem elterlichen Haus, Kehrstraße 25, wo Heinz Buschmann heute noch eine Schuhmacher-Werkstadt betreibt, gestanden hätten. Ihr Vater habe beim plötzlichen Hellwerden gemeint, es handele sich um Aufklärer, die den Deutschen den Weg in die Niederlande weisen.