Debatte um Gülle Landwirte sauer auf den Landrat
Kreis Viersen · Ein TV-Auftritt von Andreas Coenen zum Thema Nitratbelastung hat unter den Bauern im Kreis Viersen für Unruhe gesorgt.
„Not amused“ seien die Landwirte über den Auftritt von Landrat Andreas Coenen (CDU) in der Lokalzeit des WDR am 4. September, sagt Paul-Christian Küskens, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Krefeld-Viersen. Das Thema des WDR-Beitrags: „Ausgebremst: Pläne aus Viersen zum Grundwasserschutz“, sprich Gülle. Darin hatte der Landrat sein Credo noch einmal bekräftigt, die Kreisverwaltung statt der Landwirtschaftskammer als Kontrollbehörde einzusetzen. Ein Vorhaben, das im sogenannten Fünf-Punkte-Plan des Kreistages gefordert, von der Landesregierung aber abgelehnt wurde (die WZ berichtete).
Coenens Begründung im Fernsehen, dass der Kreis besser kontrollieren könne, „weil wir völlig unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet sind“, stößt auch Peter Joppen aus Vorst sauer auf. Der Landwirt, der für die CDU im Kreistag sitzt, hatte sich bei der Abstimmung zum Fünf-Punkte-Plan enthalten, alle anderen Kreistagsmitglieder hatten zugestimmt. „Gemeinsam mit unserem Fraktionsvorsitzenden Peter Fischer hatte ich das Thema Gülle öffentlich gemacht“, sagt Joppen im WZ-Gespräch. „Wir wollten die schwarzen Schafe aus unseren Reihen erwischen und die Gülle-Transporte aus den Niederlanden stoppen.“
Joppen versteht nicht, dass eine Kooperation zwischen Landwirtschaftskammer und Kreis nicht möglich sei. Denn seiner Kenntnis nach hätte es einen Austausch zwischen den Behörden gegeben. Auch von Daten, auf deren Grundlage der Kreis Viersen wohl kontrolliert hätte. Joppen: „Aber man erfährt ja nichts. Datenschutz wird dann genannt.“ Er glaubt nicht, dass sich die Landesregierung umstimmen lassen wird. Außerdem fehlen dem Tönisvorster klare Worte – auch von der Kreisbauernschaft in Richtung Landrat.
Kreis-Landwirt Küskens dagegen möchte zurzeit lieber „den Ball flach halten“. Weshalb die Kreisbauernschaft auch am nächsten Wochenende beim Erntedankfest des Kreises im Niederrheinischen Freilichtmuseum mit dabei sein wird, entgegen anderslautenden Gerüchten. Seit dem TV-Auftritt von Coenen gebe es „eine gewisse Unruhe“ unter den Landwirten. Zumal diese sich auf einem guten Weg wähnten. „Wir haben erste Fortschritte erzielt“, so der Küskens. Doch bis sich zum Beispiel Nitratwerte in Brunnentiefe verbessern, würde es dauern. Er möchte mehr Zeit für seinen Berufsstand, um die ersten Ergebnisse abzuwarten, die durch die Umsetzung der Düngeverordnung erreicht wurden. „Wir arbeiten jetzt an den Düngebilanzen, in denen sich die Verordnung von 2018 niederschlägt.“ Wer nicht die geforderten Ziele erreicht, bekäme „einen roten Brief“ von der Kammer. „Die sind da knallhart und streichen einem die Förderung.“
Küskens: „Wir stoßen
an unsere Grenzen“
Landrat Coenen hatte hingegen im WDR deutlich gemacht, nicht allzu viel von den Kontrollmechanismen der Landwirtschaftskammer zu halten. „Stellen Sie sich vor, die Architektenkammer würde Baugenehmigungen erteilen. Ich glaube, das wäre schwierig“, so Coenen – wohl mit Blick darauf, dass die Landwirtschaftskammer zu einem nicht unerheblichen Teil aus Landwirten besteht (siehe Info-Kasten).
Küskens hält es für sinnvoll, wenn abgewartet würde, welche Nachbesserung zur Umsetzung der Nitrat-Richtlinien beschlossen würden. Die EU hatte die Bundesregierung nämlich verklagt, weil diese nur unzureichend umgesetzt würden. Abwarten könnte man auch die Ergebnisse aus den drei Pilotbetrieben im Kreis Viersen, die mit der Landwirtschaftskammer zusammenarbeiten. Dort werden durchgängig die Qualität des Sickerwassers überprüft. „Das Düngeverhalten ändert sich bei uns, wir tasten uns heran. Aber das braucht Zeit“, sagt der Kreis-Landwirt.
Aber: „Wir stoßen auch an unsere Grenzen.“ 20 Prozent weniger düngen bedeute auch eine geringere Qualität beim Gemüse. Der Niederrhein sei bekannt für seine hochwertigen Produkte. „Sie bekommen bei weniger Düngung nicht mehr den Salat in der gewohnten Qualität, das Getreide mit guter Backfähigkeit oder den Kappes, der die Ansprüche für den Verkauf an die Industrie erfüllt“, so Küskens. Und wenn die Qualität nicht stimme, gebe es weniger Einnahmen für den Landwirt und Ärger mit der Bevölkerung, die die Bauern sowieso schon für vieles verantwortlich machten.
Das sieht auch Ortslandwirt Christoph Tenhaef aus Grefrath so. Der Bauer aus Vinkrath sieht seinen Berufsstand diskreditiert. „Wir fühlen uns persönlich angegriffen. Wir als Landwirte sind nicht alleine für die Umwelt zuständig, für den Klimawandel, den Co2-Ausstoß oder die Nitratbelastung.“ So würden beispielsweise Klärwerke nach Starkregen ihr ungeklärtes Wasser in die Niers leiten. Auch er plädiert dafür, erst einmal die Ergebnisse der Umsetzung der neuen Richtlinien abzuwarten. „Man muss doch erstmal sehen, ob die Neuerungen etwas gebracht haben, bevor wieder was Neues oben draufkommt.“