Energie in Kempen Neues Werk soll Stromversorgung sichern
Kempen · Die Stadtwerke Kempen haben am Dienstag ihr neues Umspannwerk in Betrieb genommen. Die moderne Anlage soll dazu beitragen, die Stromversorgung für Kempen sicherzustellen. Auch auf Hacker-Angriffe ist man vorbereitet.
(biro) Die Stadtwerke Kempen sprechen von einem „Meilenstein“ für die Stromversorgung Kempens: Nach gut einem Jahr Bauzeit haben die Stadtwerke Kempen am Dienstag ihr neues Umspannwerk an der Ecke St. Huberter Straße / Industriering Ost in Kempen offiziell in Betrieb genommen. Damit soll die Stromversorgung der Stadt für die kommenden 40 Jahre gesichert sein. Im Umspannwerk kommt die elektrische Energie von Vorlieferant Westnetz über eine 110 000-Volt-Überlandleitung (Hochspannung) an, wird im Umspannwerk über zwei Transformatoren auf 10 000 Volt (Mittelspannung) reduziert und dann im Netzgebiet der Stadtwerke in rund 300 „Ortsnetzstationen“, wie die Trafo-Stationen auch genannt werden, auf 400 beziehungsweise 230 Volt (Niederspannung) reduziert. Von dort wird die Energie an die Stadtwerke-Kunden verteilt. Dafür muss kein Mitarbeiter vor Ort sein: In der Netzleitstelle der Stadtwerke wird die neue Anlage permanent überwacht und gesteuert. Falls nötig, kann sie komplett ferngesteuert werden.
Das alte Umspannwerk war in die Jahre gekommen, laut Stadtwerken erfüllte es nicht mehr alle Anforderungen und Vorgaben an einen modernen Netzbetrieb. Weil eine Sanierung zu aufwendig und unwirtschaftlich gewesen wäre, erwarben die Stadtwerke neben dem Standort des alten Umspannwerks ein weiteres Gelände. Im Januar 2021 begann man mit dem Bau, im Juli 2021 wurde Richtfest gefeiert. Jetzt ist das neue Werk in Betrieb. Das alte Gebäude nebenan wird im nächsten halben Jahr ausgeräumt, die Teile werden verschrottet. Was mit dem Gebäude selbst geschieht, sei noch nicht klar.
Das neue Umspannwerk beherbergt nach Auskunft der Stadtwerke die modernste Technik, die es derzeit gibt. Sie soll dazu beitragen, die Stromversorgung für Kempen sicherzustellen – egal, was passiert. Beispiel Störungen: Das Netz der Stadt kann in zwei Teile aufgeteilt werden, „wenn dann eine Störung auftritt, wirkt sich das nicht mehr auf das ganze Versorgungsgebiet aus, sondern nur auf die Hälfte“, erklärt Reinhard Bretzke, Leiter der Stromversorgung bei den Stadtwerken. So sei die Versorgung trotzdem gewährleistet, bei einer Störung gebe es keinen Komplettausfall.
Beispiel Cyberkriminalität: „Es wird heute immer wichtiger, dass man sich vor Cyber-Angriffen schützt“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Siegfried Ferling, „wir haben extra Technik eingebaut, die uns davor bewahren soll.“ Dabei setze man auf ein großes EDV-Netzwerk für die Überwachung und Steuerung der technischen Anlage, erklärt Bretzke. Alle Schaltvorgänge können aus der Ferne überwacht und gesteuert werden, sodass Störfälle besser und schneller erkannt und beseitigt werden können. Vor Hacker-Angriffen ist das Umspannwerk zusätzlich durch ein System zur Angriffserkennung geschützt, damit Kriminelle nicht die Kontrolle über die Kempener Stromversorgung übernehmen können. Das System erkenne Anomalien und sei in der Lage, sich im Fall des Falles selbstständig abzuschotten, führt Bretzke aus. Mit Hacker-Angriffen müssen Unternehmen rechnen: „Wir bekommen jeden Tag zwei bis drei Warnungen vom Bundesamt für Informationssicherheit“, sagt Bretzke. Auch Energieunternehmen seien Ziel von Cyber-Kriminellen.
Die Technik im neuen Umspannwerk soll auch die sichere Aufnahme der Spannung aus regenerativen Energien gewährleisten. Früher sei der Stromweg praktisch eine Einbahnstraße gewesen, so Ferling: Die Energie wurde erzeugt, zum Umspannwerk geleitet und von dort aus weiter zum Kunden gegeben. „Heute kann man beim Stromnetz eher von einer Autobahn sprechen“, sagt Ferling. Denn der Stromverkehr läuft in beide Richtungen: Windkraftanlagen und Photovoltaik-Anlagen beispielsweise erzeugen Strom, der ins System eingespeist wird – „auch das muss in unserem Umspannwerk gemanagt werden“, so Ferling. Schon heute gehören in Kempen rund 800 Energieanlagen wie Windräder oder Photovoltaik-Anlagen zum Netz – mit dem Voranschreiten der Energiewende werden immer mehr Anlagen für erneuerbare Energien hinzukommen. Dadurch werde die Energie nicht mehr von mehr von wenigen großen Kraftwerken ins Netz eingespeist, erklärt Bretzke, sondern an vielen Stellen von kleineren Erzeugungsanlagen. Je nach Wetter gibt es Schwankungen: Auf den Überwachungsbildschirmen der Stadtwerke lässt sich unter anderem erkennen, ob es an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit genug Wind gab und wann sich eine Wolke vor die Sonne schob.
Dabei wird in Kempen aktuell so viel Energie erzeugt, dass sich die Stadt mitunter selbst versorgen kann. Das gelingt nicht nur über Windkraftanlagen und Photovoltaik, sondern auch über die Blockheizkraftwerke der Stadtwerke. Sie werden mit Gas betrieben, auch mit Biogas. Dabei entstehen Wärme und Strom. Die Wärme wird an die Fernwärme-Kunden der Stadtwerke weitergegeben, der Strom ins Netz eingespeist. Und dieser Strom reiche gegenwärtig für alle Privathaushalte in Kempen, sagt Ferling. Allein zur Versorgung der Industrie müsse man Strom zukaufen. Laufen die Windräder, scheint die Sonne, wird so viel Energie im Stadtgebiet erzeugt, dass es für ganz Kempen ausreicht. Das zeigt auch der Blick auf die letzten Tage: „Am Montag hat sich Kempen selbst versorgt“, nennt Bretzke ein Beispiel, „wir mussten keine zusätzliche Energie von außen beziehen.“
Mit der zunehmenden Anzahl kleinerer Erzeugungsanlagen müssen die Stadtwerke allerdings auch ihr Netz anpassen: „Wir sind ständig dabei, das Netz zu verstärken“, sagt Ferling. In Neubaugebieten nehme man schon stärkere Kabel, auch bei jeder Baumaßnahme verlege man diese mit.