Kempen Telefonzelle? Brauch’ ich nicht!

Bei der Rollenden Redaktion ging es um ein aussterbendes Gerät. An dem viele Erinnerungen hängen.

Foto: Kurt Lübke

Kempen. Mitte der 80er Jahre war es für die beiden Grundschul-Kumpel ein beliebter Zeitvertreib: Scherzanrufe. Diese wurden meist von der Telefonzelle an der Ecke aus getätigt, um nicht am heimischen Hörer von den Eltern erwischt zu werden. Eine x-beliebige Nummer wurde gewählt und der- oder diejenige am anderen Ende der Leitung auf die Schippe genommen. Natürlich flog das Spiel schnell auf, weil die Scherzbolde — Jahre vor dem Stimmbruch — nicht als angeblich erwachsene Ansprechpartner ernst genommen wurden. Trotzdem: Es machte Spaß. Und bis heute erinnern sich die beiden Freunde daran, wenn sie an einer Telefonzelle vorbeikommen. Das Exemplar an der Ecke ist allerdings längst abmontiert worden.

Foto: Friedhelm Reimann

Und auch für die verbliebenen Zellen sieht die Zukunft nicht rosig aus, werden sie doch kaum noch genutzt. „Schade“, findet das Franziska Mönch. Die 87-Jährige äußerte am Donnerstag ihre Meinung zum Thema an der Rollenden Redaktion auf dem Kempener Buttermarkt. „Früher gehörten die Telefonzellen einfach zum Stadtbild.“ In den 50er Jahren habe sie — in Ermangelung eines eigenen Anschlusses — noch gar keine andere Möglichkeit zum Telefonieren gehabt. „Inzwischen habe ich aber ein Handy.“

Auf die mobile Kommunikation verweist auch eine Passantin aus der Neuen Stadt: „Daher nutzen wir Telefonzellen gar nicht mehr.“ Jürgen Bobber kann sich nicht mehr daran erinnern, wann er das letzte Mal einen öffentlichen Fernsprecher genutzt hat. „Es ist auf jeden Fall Jahre her.“ Er verbindet keine schönen Bilder mit Telefonzellen, sondern spricht von häufigem Vandalismus. „Da waren die Türen rausgerissen, die Telefonbücher zerfetzt und die Kabel kaputt gemacht worden.“

Wilma Mehnert aus Geldern muss ebenfalls lange überlegen, wann sie das letzte Mal eine Telefonzelle genutzt hat: „Ach doch, das war vor knapp fünf Jahren im Urlaub.“ Damals war sie mit ihrem Mann in Grömitz an der Ostsee. „Da haben wir die Kinder angerufen, dass wir gut angekommen sind.“ Inzwischen hat das Ehepaar aber auch ein Handy. „Das nutzen wir nur im Notfall. Aber Telefonzellen brauchen wir nicht mehr.“

Der Kempener Werner Kother stellte sich am WZ-Mobil die Frage, ob Telefonzellen noch genutzt werden. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das noch lohnt.“ Mit Blick auf die Magenta-Zelle auf dem Buttermarkt sagt er: „Die kenne ich nur, weil ich den Briefkasten daneben häufiger nutze.“ Womit wir beim nächsten aussterbenden Kommunikationsmittel wären. Schließlich heißt es heute immer häufiger: E-Mail statt Brief.

Apropos: Per Mail wandte sich der ehemalige WZ-Mitarbeiter Frank Goertz an die Redaktion. „Anfang der 90er Jahre waren Telefonzellen noch ein heißes Thema. Und etwas für Praktikanten — wie mich. Wer hat mir bloß die Aufgabe gegeben, als erste Geschichte meines Lebens beim Telekomsprecher anzurufen und sich nach irgendwelchen Problemen mit einer Zelle in Krefeld zu erkundigen?“, erinnert sich Goertz, der inzwischen in Mühlacker (Baden-Württemberg) wohnt. „Mordsnervös und mit feuchten Fingern die Nummer gewählt, Zittern in der Stimme, und dann doch halbwegs flüssig artikuliert, was ich wissen will. Und was macht der Mann am anderen Ende der Leitung? Fragt mich leicht genervt, seit wann ich eigentlich bei der Zeitung bin. Schluck. Wahrheitsgemäß antwortete ich ,seit einer halben Stunde’.“ Da sei das Eis gebrochen gewesen und die Antworten des Sprechers wurden präzise.