Sportliche Flüchtlingshilfe Tore, Punkte, Bürokratie
Flüchtlingskinder können in St. Hubert sofort ins Fußballtraining einsteigen. Auf den Spielerpass, der sie für die FC in Verbandsspielen kicken lässt, müssen sie 30 Tage warten.
Kempen. „Ach, wissen Sie, ich bin 72 Jahre alt und mein Englisch ist so lala. Wenn ich in der St. Huberter Schule mit den Formularen am Tisch sitze und 25 Menschen um mich herum stehen, ist die Verständigung nicht so einfach. Aber es klappt trotzdem. Mit Händen und Füßen. Das ist ein toller Moment.“
Karl-Heinz Josten vom FC St. Hubert ist einer der ehrenamtlichen Akteure in Städten und Kommunen, die die „Flüchtlingsinitiative 1:0 für ein Willkommen“ des Deutschen Fußballbundes (DFB) vor Ort in die Praxis umsetzen — und sich von bürokratischen Hürden nicht abhalten lassen. Josten will es möglich machen, dass fußballbegeisterte Kinder und Jugendliche, die mit ihren Familien aus ihrem Heimatland nach Deutschland geflüchtet sind, sich einem Fußballverein wie St. Hubert anschließen können.
Der Einstieg ins Training klappt problemlos, quasi ohne Hürde am Spielfeldrand. Vereine, die sich für geflüchtete Menschen und eine Willkommenskultur engagieren, unterstützt der DFB mit einer Broschüre, die Orientierung bei Themen wie Versicherungsschutz, Mitgliedschaft, Spielberechtigungen und Unterstützungsmöglichkeiten gibt.
Spieler, die auch samstags bei Verbands-Jugendspielen mitkicken möchten, benötigen einen Spielerpass. Darum kümmert sich Josten für die Kinder der Asylbewerber: „Training heißt Vorbereitung zum Spiel. Und die Kinder wollen Fußball spielen. Deshalb gehe ich mit den Anträgen auf Erteilung einer Spielberechtigung in die Flüchtlingsunterkünfte, in die Familien.“ Karin Schenk von der Flüchtlingsinitiative hilft ihm.
Josten beantragt Spielerpässe beim Westdeutschen Fußball- und Leichtathletikverband (Duisburg) per Formular. Darin müssen Geburtsdatum und Geburtsort des Kindes stehen, der Nachweis durch das Familien-Stammbuch erbracht oder per Stempel des Einwohnermeldeamtes der zuständigen Stadt beglaubigt sein. „Gar nicht so einfach“, sagt Josten. Viele Flüchtlingsfamilien hätten keinen Nachweis. „Selbst wenn offizielle Schreiben vorliegen, stehen dort arabische Schriftzeichen.“ Bei alleinreisenden, minderjährigen Flüchtlingen müsse die Unterschrift eines Vormundes auf dem Antrag stehen.
Bescheinigungen, Beglaubigungen, Stempel, Unterschriften. . . Für 15 Kinder und Jugendliche hat Josten bisher Spielerpässe beantragt. Gerade erst hätten sich zwei syrische Mädchen dem Training angeschlossen. Doch die Bearbeitung dauert. „Die Kinder werden schon ungeduldig, weil sie so gerne mitspielen möchten.“ Normalerweise wird ein Spielerpass innerhalb von zwei Tagen erstellt. Flüchtlingskinder, die älter als zehn Jahre sind, müssen einen Monat auf die Erlaubnis warten.
Roland Leroi, Medienreferent beim Westdeutschen Fußball- und Leichtathletikverband, erklärt warum: „Etliche Anträge muss unser Verband an den DFB weiterleiten.“ Denn bei Kindern, die älter als zehn Jahre sind, greife die Transferregel der Fifa-Satzung. „Das heißt, dass der DFB für jeden Spieler beim jeweiligen Fußball-Nationalverband des Herkunftslandes nachfragen muss.“ 30 Tage habe der Verband Zeit, zu reagieren. Wenn nach Ablauf der Frist keine Meldung vorliege, könne der Spielerpass ausgestellt werden.
Josten hat die ersten Anträge für zwei Teenager am 26. August gestellt. „30 Tage sind rum, nun dürften die Spielerpässe kommen.“ Man müsse sich, sagt er, nur einmal vorstellen, selbst als Flüchtling in Syrien zu sein, kein Wort zu verstehen. „Dann braucht man Leute vor Ort, die einem helfen, sich zurechtzufinden. Deswegen engagieren wir uns ehrenamtlich.“