Bürgermeisterkandidat Volkmar Josten: „Ich bin kein typischer Beamter“

Volkmar Josten will Bürgermeister von Grefrath werden. Er rechnet sich gute Chancen aus.

Foto: Kurt Lübke

Grefrath. In vier Wochen ist ein wichtiger Tag im Leben des Volkmar Josten. Denn dann weiß der Sozialamtsleiter, ob er künftig einen anderen Beruf ausüben wird. Und zwar den des Bürgermeisters von Grefrath. Der parteilose 55-Jährige ist einer der drei Kandidaten, die am 13. September gewählt werden wollen. Kirsten Peters (CDU) und der ebenfalls parteilose Amtsinhaber, Manfred Lommetz, sind seine Konkurrenten. Im WZ-Gespräch äußerte sich Josten zu seinen Plänen, sollte er gewinnen.

Herr Josten, wie finanzieren Sieihren Wahlkampf und wer sind Ihre Unterstützer?

Volkmar Josten: Meine Unterstützer gehen durch alle Bevölkerungsgruppen und Ortsteile. Ich habe das einmal statistisch ausgewertet und das geht wirklich querbeet. Meinen Wahlkampf finanziere ich selbst.

Sind Sie angesprochen worden, sich für das Amt des Bürgermeisters zu bewerben?

Josten: Nimmt man die zeitliche Reihenfolge, so bin ich vereinzelt angesprochen worden. Aber so eine Entscheidung muss von einem selbst kommen. Sich tragen lassen geht nicht. Ich habe dann selbst Leute angesprochen, ob sie mich im Falle einer Kandidatur unterstützen würden.

Was war Ihre Motivation?

Josten: Ich könnte jetzt mit meinem Bürgermeister antworten: Wo Lommetz draufsteht, ist Josten drin. Aber im Ernst: Wenn man ein Projekt anpackt, und kommt an einen Punkt, an dem es nicht weiter geht, dann bleiben nur zwei Möglichkeiten: Das Projekt einstellen oder in die Funktion wechseln, aus der man dann dieses weiterentwickeln kann.

Wie ist es, gegen den eigenen Chef anzutreten?

Josten: Wir haben das auf die sportliche Art gelöst. Es war natürlich nicht optimal, dass Manfred Lommetz von meiner Kandidatur aus der Zeitung erfahren hat. Aber wir haben uns zusammengesetzt und ausgetauscht.

Welche Chancen rechnen Sie sich bei der Wahl aus?

Josten: Vor Gericht und auf hoher See . . . Ich denke, ich habe gute Chancen. Ich hoffe natürlich auf 50 plus. Aber bei drei Kandidaten ist rein mathematisch gesehen eine Stichwahl drin.

Ist es ein Nachteil, parteilos zu sein?

Josten: Kein Nachteil, aber mehr Arbeit. Ich sehe das sogar als Vorteil. Ich werde immer darauf angesprochen, ob ich auch wirklich unabhängig bin. Und das bin ich: Ich habe keinen Grundbesitz in Grefrath, keine Abhängigkeiten. Nichts verstellt mir den Blick.

Wie sieht Ihr Wahlkampf aus? Gehen Sie von Tür zu Tür?

Josten: Das ist nicht machbar. Aber ich fahre ein Wahlkampfmobil, den roten Smart meiner Frau. Und ich bediene mich professioneller Hilfe für Flyer und ähnliches. In der heißen Phase werde ich vereinzelt Tage frei nehmen, um alle Termine abzuarbeiten. Das ist bei der momentanen Flüchtlings-Problematik aber nicht einfach.

Auf Ihren Plakaten und Flyern schrieben Sie „Ihr Bürgermeister auf Augenhöhe“. Was heißt das?

Josten: Ich will auf einer Ebene mit dem Bürger kommunizieren. Wer mich begleitet hat, der weiß, ich bin ein Kümmerer. In meiner Funktion als Sozialamtsleiter nehme ich die Menschen ernst, wenn sie mit ihren Anliegen zu mir kommen. Ich muss beispielsweise in einer Diskussionsrunde nicht ein Ergebnis durchdrücken. Es geht darum, ein Ergebnis zu erzielen, das man umsetzen kann. Oft wird vergessen, dass es durchaus mündige Bürger gibt. Verwaltung und Politik sitzen oft im Elfenbeinturm und denken, sie wissen besser, was zu passieren hat.

Ist Bürgermeister Lommetz auf Augenhöhe?

Josten: Manfred Lommetz ist auf Augenhöhe in dem Bereich, in dem er sich bewegt. Ich bin professioneller. So habe ich beispielsweise die Wahlprüfsteine der IHK Mittlerer Niederrhein ausgefüllt. Die anderen Kandidaten sind mit Forderungen rübergekommen. Ich versuche Lösungen zu finden.

Was würden Sie anders machen als Bürgermeister Manfred Lommetz?

Josten: Als kleine Gemeinde muss man sich viel mehr vernetzen. Ich bin sehr gut vernetzt. man muss mit dem Kreis, Land und anderen Behörden kooperieren. Es hilft nicht, sich auf Kampf einzustellen. Das ist kontraproduktiv.

Wie sehen Sie das Problem der generell geringen Wahlbeteilung?

Josten: Das ist schwierig. Die letzte Wahlbeteiligung von 50 Prozent spricht für sich. Wenn man 50 Prozent der Stimmen bekommt, dann sind das aber nur 25 Prozent der Wähler. Das ist ein schwaches Mandat. Ich habe die weiterführenden Schulen und deren Schülervertretungen angeschrieben, dass ich zur Verfügung stehe, wenn sie Diskussionen planen.

Was sind für Sie die dringendsten Probleme für Grefrath, die in Angriff genommen werden müssen?

Josten: Die Verwaltungsorganisation muss angepackt werden. Jetzt hatten wir ein Unternehmen im Haus, das hat ein Papier erarbeitet. Den selben Vorschlag habe ich vor drei Jahren gemacht. Seit sechs Jahren ist der Posten eines Wirtschaftsförderers im Haushaltsplan verankert. Aber nichts passiert. Dieser würde sich auch um die Themen Tourismus und Marketing kümmern. Ein Problem ist auch, dass es in Grefrath keine Interessensvertretung des Handels gibt. Für Oedt hat man Ansprechpartner. In Grefrath würde ich gerne den Findungsprozess moderieren.

Und was ist mit dem Thema Haushalt?

Josten: Die Finanzen der Gemeinde belaufen sich auf 46 Prozent Transferkosten. Das sind Aufwendungen und Zuschüsse, auf die wir kaum Einfluss haben. Die Möglichkeit, Sponsoren und Förderungen zu finden, ist bisher so gut wie gar nicht beachtet worden. Ich bin — wie gesagt — sehr gut vernetzt. Und habe ein Seminar zu diesem Thema besucht, bei dem ich viele Leute kennengelernt habe. Ich habe beispielsweise einen Plan zur Nutzung des Girmes-Verwaltungsgebäudes in der Schublade. Das soll Arbeitsplätze für Grefrath schaffen.

Ist der demografische Wandel auch ein Thema?

Josten: Ein entscheidendes für die Zukunft. Jeder möchte in seinem vertrauten Umfeld alt werden. Aber keiner sagt, wie das funktionieren kann. Man muss Treffpunkte schaffen, wo es auch Hilfsangebote gibt oder Hinweise auf Unterstützung. Das steigert die Lebensqualität. Ein Quartiermanagement kann da helfen. So wie wir es in Oedt haben. Ein starker Partner ist dabei das Altenheim und die Diakonie. So etwas brauchen wir auch für Grefrath. Dafür müssen Partner gesucht werden.

Stadtentwicklung ist auch ein wichtiger Punkt. Wir haben kaum Wohnraum für Ältere, aber auch Jüngere. Beide Gruppen haben ähnliche Ansprüche an die Wohnungsgröße. Bürgermeister Lommetz fordert beispielsweise Wohnungen für kinderreiche Familien. Der Bedarf ist nicht da. Wir hatten zwei Reihenhäuser dafür zur Verfügung und haben diese nicht belegen können. Wir haben viele Ältere, die in einem großen Einfamilienhaus sitzen und sich gerne verkleinern würden. Es geht nicht unbedingt darum, neue Flächen auszuweisen, sondern vorhandene zu nutzen. Wir haben viele Einfamilienhäuser mit großen Gärten. Da könnte man was machen, wenn die Privatleute mitmachen. Die Grundsicherung und Nahversorgung muss gewährleistet werden.

Sie wollen sich um den Ausbau der Mobilität kümmern. Was heißt das?

Josten: Dazu kommt der Öffentliche Nahverkehr. Der muss so ausgerichtet sein, dass junge Leute zu ihrer Lehrstelle nach Mönchengladbach kommen können. Das funktioniert nicht immer. Wir müssen nämlich versuchen, die jungen Leute in Grefrath zu halten. Es gibt einen Knick ab 20 Jahre. Viele verlassen den Ort für eine Ausbildung. Die fangen wir nicht wieder ein.

Was ist das Positive von Grefrath, was macht seinen Charme aus?

Josten: Die Grefrather sind enorm ehrenamtlich unterwegs. Oft werde ich gefragt: Was kann ich tun? Ich habe den Runden Tisch Asyl gegründet. Da engagieren sich viele Leute. Ich könnte mich auf den Markt stellen und sagen: Das und das brauche ich. Ich würde es bekommen. In allen Ortsteilen gibt es eine überragende Wohnqualität. Auch in Oedt. Man muss sich nur die Mühe geben, auch mal links und rechts zu gucken. Wir können mit dem Pfund wuchern, dass innerhalb eines Radius von 80 Kilometern Städte und Sehenswürdigkeiten erreichbar sind. Wir haben viel Natur.

Freizeitgemeinde, was heißt das?

Josten: Nicht, dass die Grefrather viel Freizeit haben. Aber sie können sich vielseitig betätigen. Es gibt einen Flugplatz, ein Eisstadion, ein Freilichtmuseum, viele Sportstätten und die Niers für Paddeltouren.

Welche Stärken haben Sie?

Josten: (lacht) Ich bin kein typischer Beamter mit zwei Aktendeckeln als Scheuklappen vor den Augen. Aber ich weiß mit Verwaltung umzugehen. Meine Tür steht immer offen. Und ich kann Waschmaschinen reparieren.

Und Ihre Schwächen?

Josten: Ich könnte eine ordnende Hand im Büro gebrauchen. Aber ich habe bisher immer alles gefunden — ohne fremde Hilfe. Und ich bin manchmal etwas ungeduldig.

Was halten sie von Kirsten Peters als Kandidatin?

Josten: Ich habe Frau Peters als sehr nette Person kennengelernt. Sie war auch zehn Jahre als ehrenamtliche Bürgermeisterin unterwegs. Aber das ist nicht dasselbe wie Bürgermeister zu sein.

Ist Grefrath reif für eine Bürgermeisterin?

Josten: Ja, aber nicht Kirsten Peters.