Kempen Wertvolle Kirchenkunst entdeckt
Nach mehr als 46 Jahren wurde Diebesgut gefunden. Darunter sind fünf Figurenelemente aus der Propsteikirche.
Kempen. Propst Thomas Eicker hatte am Donnerstag richtig gute Laune. Der Grund dafür war ein Anruf aus Aachen. Das Bistum teilt dem Kempener Geistlichen mit, dass es einen spektakulären Fund gegeben hat: Auf dem Gelände des Klosters Maria Laach hat ein Benediktinerbruder zwei Gepäckstücke gefunden. Darin befanden sich acht kunsthistorische Elemente. Fünf davon stammen aus der Kempener Propsteikirche, wo sie offenbar Ende der 1960er Jahre gestohlen worden waren. Nun wurden sie vermutlich über die Mauern des Klosters in Maria Laach geworfen, wie Bistum und Bundeskriminalamt (BKA) mitteilen.
„Das war schon eine außerordentliche Überraschung“, sagte Propst Eicker am Donnerstag beim Termin mit der WZ in der Propsteikirche. Vor Ort schilderte der Pfarrer, um welche „kunst- und kirchenhistorisch bedeutsamen Elemente“ es sich bei den Fundstücken handelt. Nach Angaben des Propstes sind es wahrscheinlich fünf Figurenelemente aus dem Kreuzaltar, der sich auf der rechten Seite von St. Marien befindet. In der Mitte des Gebildes, das aus mehreren Dutzend Figuren besteht, ist Christus am Kreuz zu sehen — daher der Name des Altars. „Er wird aber auch Michaelis-Altar genannt, weil er von der St. Michaelis-Bruderschaft gestiftet worden ist“, so Eicker.
Zu den gestohlenen und nun wiederentdeckten Elementen gehört die Figurengruppe „Beschneidung Jesu“. Diese zeigt die Beschneidung des Jesuskindes durch einen jüdischen Geistlichen. Das Besondere laut Eicker: Der Geistliche trägt eine Brille, die etwa zur Entstehungszeit des Werkes erfunden worden sei. Das Archiv der Propsteigemeinde belegt, dass die Kunstwerke 1540 entstanden sind — hergestellt wurden sie von Künstlern der „Antwerpener Schule“. Eicker: „Das war zur damaligen Zeit eine in Europa bedeutende Gemeinschaft von Künstlern.“
Und daher seien die Altäre der Propsteikirche und damit auch die Fundstücke von besonderem Wert. „Kunsthistorisch spielt Kempen in der Ersten Bundesliga“, sagt Eicker. „Das liegt daran, dass die Stadt früher ein reicher Wallfahrtsort war.“ Beziffern kann der Propst den Wert der nun aufgetauchten Kunstwerke nicht. Das können vielleicht in Kürze die Konservatoren vom Landschaftsverband Rheinland (LVR), die nun alles genau unter die Lupe nehmen werden.
Nach ersten Angaben des Bistums sind die Werke gut in Schuss. „Augenscheinlich sind sie in einem guten Zustand. Es gibt keine Risse im Holz, die Farbfassungen haben nicht übermäßig gelitten“, sagt Michael Scholz, Fachbereichsleiter Kirchbau und Denkmalpflege beim Bistum Aachen. „Das ist nach dieser langen Zeit sehr ungewöhnlich.“
Propst Eicker geht davon aus, dass die Kunstwerke nach der Begutachtung in Aachen nach Kempen zurückkehren werden. Dies habe ihm das Bistum signalisiert. Offen ist, ob die Elemente wieder in den Kreuzaltar eingebaut werden. „Das muss alles noch geprüft werden“, so Eicker. In den nächsten Wochen könne er mehr sagen.
Über den Diebstahl, der mehr als 46 Jahre zurückliegen muss, ist im Archiv der Kirchengemeinde nichts dokumentiert. Eicker liegt lediglich die Rechnung eines Künstlers vor, der 1970 Repliken der fünf gestohlenen Elemente für die Kempener Gemeinde angefertigt hat. Dabei handelt es sich um den Bildhauer Wilhelm Hable aus Meerbusch. „Aufgrund dieser Auflistung der Arbeiten nehmen wir an, dass sich der Diebstahl Ende der 60er Jahre ereignet hat“, so der Propst.
Neben der „Beschneidung Jesu“ sind im Kreuzaltar aktuell vier weitere Repliken zu finden. Sie zeigen zwei Heilige oder Pilger, zwei Marienbildnisse mit Kindern und die Darstellung „Anna Selbdritt“. Diese Bezeichnung steht für Abbildungen der heiligen Anna nebst Maria und dem Jesuskind. Nach Angaben von Propst Eicker ergeben einige dieser Figuren im Ganzen das Bild „Heilige Sippe“ im Kempener Kreuzaltar.
Gemeinsam mit dem Bistum und dem LVR will der Propst nun überprüfen, ob es sich bei den Fundstücken um diese Figurenelemente handelt. Dies sei zwar sehr wahrscheinlich, müsse aber noch abgeglichen werden. „Es sind aber in jedem Fall gute Nachrichten für unsere Gemeinde“, so Eicker. Wann auch immer die Werke nach Kempen zurückkehren, steht für den Propst eines fest: „Das werden wir gebührend feiern.“