Dichter und Verleger Dinçer Güçyeter Nettetaler mit Bundespräsident Steinmeier auf Staatsbesuch in der Türkei

Nettetal · Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den in Lobberich lebenden Dichter Dinçer Güçyeter eingeladen, ihn bei seinem Türkei-Staatsbesuch zu begleiten. In Istanbul las der Dichter aus seinem Roman „Unser Deutschlandmärchen“.

Dinçer Güçyeter (links) mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Schiffsüberfahrt auf dem Bosporus. Anlass des Staatsbesuchs ist das 100. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Berlin und Ankara.

Foto: Gücyeter

„Liebe Grüße von mir und von unserem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Später mehr“. So meldete sich der Dichter und Verleger des Elif-Verlages, Dinçer Güçyeter, in den sozialen Medien vom Bosporus. Für seinen durchaus schwierigen Staatsbesuch hatte Steinmeier eine Reihe von Menschen in seine Delegation eingeladen, die türkische Wurzeln haben. Bundespräsident Steinmeier reist vom 22. bis 24. April in die Republik Türkei. „Mit seinem Besuch möchte der Bundespräsident seine Wertschätzung für die mehr als ein Jahrhundert lang bestehende enge Verbundenheit zwischen der Republik Türkei und Deutschland zum Ausdruck bringen und insbesondere die menschlichen Verbindungen und Geschichten würdigen, die die deutsch-türkische Beziehung bis heute prägen“, heißt es aus dem Bundespräsidialamt in Berlin.

Dinçer Güçyeter las beim Empfang am Montag in der Sommerresidenz des Deutschen Botschafters in Istanbul aus seinem auf der Leipziger Buchmesse prämierten Roman „Unser Deutschlandmärchen“. In der Berichterstattung in den Medien und erst recht in den social media-Kanälen wurde kaum auf den Dichter aus Nettetal eingegangen - die NZZ aus Zürich nannte ihn. Viel größere Resonanz fand Arif Keles, Inhaber eines Berliner Döner-Imbisses. Er hatte einen 60 Kilogramm schweren tiefgefrorenen Döner-Braten im Regierungs-Airbus mitgenommen. Beim Empfang in der Sommerresidenz des Botschafters wurde der Drehspieß den Gästen angeboten, höchstpersönlich vom Bundespräsidenten angeschnitten. Die Reaktionen fielen sehr geteilt aus. Während die Gäste höflich lächelten, ging die Diskussion in den Medien los: Sie reichte von „nette Geste“ bis „einfach nur peinlich“. Die Leistung der „Gastarbeiter“-Generation lasse sich nicht auf einen Döner-Imbiss reduzieren.

Dinçer Güçyeter hat beim Empfang gelesen. In seiner Rede stellte Steinmeier ihn vor: „Woher komme ich und wo gehöre ich hin? Mit diesen Fragen beschäftigt sich inzwischen eine ganze Generation von türkischstämmigen Schriftstellerinnen und Autoren in Deutschland. Zu ihnen gehört Dinçer Güçyeter, der uns auf dieser Reise begleitet, von dem wir gleich noch etwas hören werden.“ Der Bundespräsident würdigte diese literarische Arbeit: „Indem sie von den generationsübergreifenden Wunden berichten - mal wütend, mal traurig, oft fragend - erzählen sie eben auch etwas über die Geschichte der Bundesrepublik und damit über uns alle.“

Am Dienstag flog die deutsche Delegation in das Erdbebengebiet im Südosten der Türkei. Dort und im Norden Syrien erschütterten am 6. Februar 2023 zwei schwere Erdbeben den Boden. In beiden Ländern wurden über 60.000 Tote geborgen. Dinçer Güçyeter nutzte den Besuch von Nurdagi und Gaziantep, um sich eine Stunde lang von der Delegation zu entfernen und in dieser Zeit mit einigen Menschen in den neuaufgestellten Container-Dörfern zu sprechen. In den Gesprächen waren Trauer und Aussichtslosigkeit vorherrschend.

Am Mittwoch stand für Steinmeier der schwierigste Part an, das Gespräch mit Präsident Erdogan, der von der Hamas als Freiheitskämpfern spricht und damit eine ganz andere Position als die deutsche vertritt. Am Nachmittag geht es für die deutsche Delegation wieder zurück nach Berlin.

Fast gerät durch den Türkei-Besuch der Else-Lasker-Schüler-Lyrik-Preis in Vergessenheit. Er wurde am vergangenen Freitag in der Glashalle der Stadtsparkasse Wuppertal an Dinçer Güçyeter verliehen. Mit dem Preis geehrt wurde ein „Lyriker von Format, dessen Leben, Werk und Wirken im Wortsinn Bände spricht - für ein Miteinander, eine interkulturelle Toleranz im Sinne Else Lasker-Schülers, die stets für eine Versöhnung zwischen Juden, Christen und Muslimen eingetreten ist.“ So steht es in der Urkunde, die Güçyeter erhielt. „Wir wurden versteckt“, sagt der in Lobberich geborene Dichter, Das Verstecktsein ist nach den vielen Auszeichnungen nun endgültig vorbei.