Nettetal Dürre: Stadt Nettetal musste schon 100 Bäume entfernen
Nettetal. · Trockenheit und Hitze lassen Pflanzen eingehen. Der Baubetriebshof bewässert nur junge Bäume.
Zehnmal im Jahr jeweils 100 Liter Wasser von den Mitarbeitern des Baubetriebshofs, dazu der natürliche Niederschlag: „Über Jahrzehnte war das das Maß für einen Baum, damit kamen wir gut aus“, sagt Heike Meinert, Leiterin des Grünflächenbereichs bei der Stadt Nettetal. Jetzt, in einem Sommer mit zwischenzeitlich ungewöhnlich hohen Temperaturen um die 40 Grad und wenig Regen, wässern die städtischen Mitarbeiter die jungen Bäume im Stadtgebiet etwa einmal in der Woche mit jeweils 100 Litern pro Stück. Die Vorschädigungen aus dem Dürresommer 2018 zeigen sich jetzt deutlich.
Als im vergangenen Jahr der Regen wochenlang ausblieb, mussten die städtischen Mitarbeiter zwar bewässern, aber keine abgestorbenen Bäume entfernen, berichtet Ewald Meier, zu dessen Aufgaben unter anderem die Baumkontrolle und die Erstellung des Baumkatasters der Stadt Nettetal gehören. Dagegen häufe sich jetzt die Anzahl der Bäume, die den Klimaextremen nicht mehr standhalten könnten. Sie treiben gar nicht mehr oder nur noch sehr kleine Blätter aus, Äste brechen. Über alle Stadtteile sei diese Entwicklung gleich verteilt, sagt Meinert. Gerade Eichen und Bergahorn seien betroffen, berichtet Meier: „Es gibt ganz viel Totholz, erschreckend viel.“ Um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, müsse dies zügig entfernt werden. Die Mitarbeiter sind im Dauereinsatz.
Rund 11 000 Bäume befinden sich in städtischem Besitz, davon wachsen knapp 7000 an Straßen. Müsse ein Baum entfernt werden, der größer als einen Meter ist, werde das mit dem Umweltausschuss abgesprochen, sagt Meinert, es gebe eine Besichtigung, dann werde entschieden. Aber im Moment komme man damit kaum hinterher: „Seit dem Frühjahr haben wir mehr als 100 Straßen- und Parkbäume entfernt, große und kleine“, sagt Meinert. Meier: „So extrem ist es noch nie gewesen.“
Neu sei auch, dass Bäume innerhalb kürzester Zeit absterben, sagt Meier, von der Entwicklung selbst überrascht: „Normalerweise ist das ein langfristiger Prozess, das passiert nicht innerhalb eines Jahres.“ Nun aber habe er bei seiner jährlichen Kontrolle im Frühjahr einen Baum an der Sperberstraße in Lobberich begutachtet und keine Beanstandungen gehabt – innerhalb von nur drei Wochen habe der Baum allerdings gut die Hälfte seiner Blätter verloren, eine weitere Woche später seien alle weg gewesen.
Derzeit sind Mitarbeiter des Baubetriebshofs an sechs Tagen in der Woche mit einem 4000-Liter-Wasserfass unterwegs, um Bäume zu bewässern. Ein Landwirt hat dazu ein weiteres Fass mit einem Volumen von 20 000 Litern zur Verfügung gestellt, Mitglieder der Jugendfeuerwehr springen beim Bewässern ein, die Stadt hat 100 neue grüne Bewässerungssäcke gekauft. Meinert: „Das, was wir leisten können, haben wir gut organisiert.“ Allerdings: „Wir hoffen, dass ein bestimmter Punkt nicht überschritten wird.“ Denn etwa das Bewässern kollidiere ab einem gewissen Moment mit dem Grundsatz, mit Ressourcen wie dem Trinkwasser sparsam umzugehen.
Geschwächte Bäume werden zusätzlich von Pilzen befallen
Allerdings beschränke sich die Stadt bei der Bewässerung auf junge Bäume bis zum Alter von etwa zehn Jahren. Denen würden 100 Liter pro Wässerung helfen, bei den älteren und damit in der Regel eben größeren Bäumen wäre diese Menge bloß ein Tropfen auf dem heißen Stein, sagt Meinert: „Die großen Bäume verdunsten täglich Tausende Liter Wasser.“
Da die Bäume durch die geringe Niederschlagsmenge und die hohen Temperaturen derzeit geschwächt seien, würden weitere Probleme auftreten: zum Beispiel der Pilz Massaria, der Platanen befällt. Dadurch sterben auch dicke Äste ab und können abbrechen. Die Schwierigkeit: Der Pilzbefall sei vom Boden aus nicht zu erkennen, erklärt Meier, dieser sitze auf der Oberseite der Äste. Also steigen die Mitarbeiter für jede Platane in den Hubsteiger und schauen von oben nach.
Eine weitere Schwierigkeit ist laut Meinert der sogenannte Grünbruch. Wohl um Verdunstungsfläche zu reduzieren, werfen Bäume sogar teils große, schwere Äste ab, an denen noch grüne Blätter wachsen. „Das ist an sich gesundes Holz, auch an der Bruchstelle sieht man nichts Ungewöhnliches“, sagt Meier. Grünbruch sei sehr gefährlich, denn man könne ihn nicht vorhersehen, sagt Meinert: „Wir können ihn nicht verhindern.“
Dafür scheinen andere Vorkomnisse, die dem Baumbestand in Städten wie Viersen zu schaffen machen, an Nettetal vorbei zu gehen. Beispielsweise der Borkenkäfer sei in der Seenstadt aktuell kein Problem, denn er zerfresse am liebsten Fichten – und davon gebe es im Stadtgebiet kaum welche, berichtet Meinert. Verbreitet seien dort heimische Bäume wie Birke, Eiche und Buche. Im Grenzwald seien nach dem Zweiten Weltkrieg hauptsächlich Kiefern gepflanzt worden. Lediglich auf dem Friedhof in Breyell seien wegen des Borkenkäfers drei Fichten entfernt worden. „Es ist für uns eher ein Randthema“, sagt Meinert. Ebenso verhalte es sich bislang mit der Rußrindenkrankheit. Dazu habe es lediglich zwei Verdachtsfälle gegeben; um kein Risiko einzugehen, seien die betroffenen Bäume gefällt worden.
Wird in Nettetal ein Baum entfernt, wird er in der Regel zügig ersetzt. Durch die anderen Problemfelder sei man damit allerdings im Moment ein gutes Jahr hinterher, berichtet Meinert. Auch rechnet sie damit, dass die bislang üblichen Anschaffungskosten von 5000 bis 10 000 Euro jährlich jetzt „deutlich mehr“ sein werden. Für die Zukunft gelte es, bei der Baumwahl „nicht auf ein Pferd“ zu setzen, damit nicht eine Entwicklung direkt den gesamten Bestand bedrohe. Im Trend seien klimaresistente heimische Arten wie der Feldahorn.