Kirche in Nettetal Die gute alte Pfarrer hat ausgedient

Nettetal · Laut Dekret des Bistum Aachen zur zukünftigen territorialen Struktur sollen alle sieben katholischen Kirchengemeinden in Nettetal fusionieren - ab 2028 mit Zwang. Was die Menschen vor Ort davon halten.

Die Pläne aus Aachen erläuterte  Hans Buschmann, Nettetaler Mitglied im Steuer- und Wirtschaftsrat der Diözese Aachen, dem Publikum.

Die Pläne aus Aachen erläuterte  Hans Buschmann, Nettetaler Mitglied im Steuer- und Wirtschaftsrat der Diözese Aachen, dem Publikum.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Verliert die Kirche im Bistum Aachen die Ehrenamtlichen? Was wird aus dem Vermögen der einzelnen Kirchengemeinden, das bisher relativ frei verwaltet wurde? Die Neuordnung der Kirchengemeinden im Bistum Aachen wirft viele Fragen auf.

Das wurde bei der Versammlung im Convent schnell deutlich, zu der die Kirchengemeinde St. Clemens in Kaldenkirchen nach der Sonntagsmesse eingeladen hatte. Mehr als 50 Besucher waren der Einladung gefolgt, das Interesse war riesig – und die Zustimmung klein.

Pfarrer Benedikt Schnitzler zeigte sich anfangs „nicht begeistert von allem“, aber er wünschte sich einen „Zusammenhalt in Nettetal“. Den werden die Gemeinden in Nettetal auch brauchen, denn nach dem Dekret des Bistum Aachen zur zukünftigen territorialen Struktur sollen alle sieben Kirchengemeinden in Nettetal fusionieren. Zum 1. Januar 2025, 2026 oder 2027 können sie es freiwillig machen, spätestens zum 1. Januar 2028 werden sie vom Bistum zwangsfusioniert.

Begriffe wie „pastorale Räume“ oder „Kirche vor Ort“ sind schwammig und bieten reichlich Konfliktstoff. Trotzdem kennt niemand eine Alternative dazu, bei Priestermangel und sinkenden Kirchensteuern größere Einheiten zu schaffen.

Im Bistum Aachen hat, wenn die Reform so wie angekündigt umgesetzt wird, die gute alte Pfarrei ausgedient. Pfarreien werden zu „Orten der Kirche“. Zurzeit gibt es im Bistum Aachen 326 selbstständige Kirchengemeinden, die in 71 Gemeinschaften der Gemeinden (GdG) zusammenarbeiten. Nach den neuen Plänen im Bistum sollen diese GdGs zu 44 „pastoralen Räumen“ zusammengefasst werden. Diese sollen am Ende in acht bis 13 Großpfarreien aufgehen.

Die Pläne aus Aachen erläuterte Hans Buschmann, Nettetaler Mitglied im Steuer- und Wirtschaftsrat der Diözese Aachen, dem skeptischen Publikum. Aktuell gibt es in Nettetal sieben Pfarrgemeinden mit eigenen Pfarreiräten und Kirchenvorständen, dazu als gemeinsame Verwaltung den Katholischen Kirchengemeindeverband.

Im Bistum Aachen wurde 2018 ein Reformprozess angestoßen, der Handlungsbedarf dazu sei unstrittig. Die Zahl der Katholiken im Bistum Aachen ist von 1,2 Millionen (2000) auf heute knapp 900 000 gesunken. Demografische Prognosen gehen in 20 Jahren von dann 700 000 Katholiken im Bistum aus.

Wenn man aber die Zahl der Austritte hochrechne, gebe es in zehn, 15 Jahren vielleicht nur noch 500 000 Katholiken im Bistum. Entsprechend sinken die Einnahmen durch die Kirchensteuer.

Wie wirkt sich das bei den kirchlichen Angeboten und dem Erhalt der Gebäude aus? Im Bistum gebe es 350 Kirchen. Auch das pastorale Personal werde älter und weniger. Vor 25 Jahren gab es im Bistum noch 500 Priester, heute rund 200. Wie sollten 70 bis 80 Priester zukünftig 350 Kirchen bedienen?

Trotz des Dekrets vom Bischof zum Jahreswechsel werde in diesem Jahr in Nettetal alles weiter wie bisher bleiben, in jeder Kirche werde es weiter Messen geben, so Buschmann weiter. An die Stelle der bisherigen Pfarreien treten die „Pastoralen Räume“. Die Pfarrei wird vom Pfarrer geleitet, der pastorale Raum kann von einem Team geleitet sein. Das könne eine große Chance für die Ehrenamtlichen sein. Darauf wies Gabi Terhorst vom Regionalteam hin. Unter den Priestern, so war zu hören, werde durchaus kontrovers diskutiert, dass es künftig zwei Klassen von Priestern geben werde, die Leiter der pastoralen Räume und die anderen.

In der Region Kempen-Viersen sind fünf pastorale Räume vorgesehen, einer davon ist Nettetal-Grefrath. Noch handele es sich dabei um zwei Kirchengemeinden. Die Laieninitiative „Kirche bleibt hier“ hat Sorge, dass die Kirche vor Ort ihre Ehrenamtlichen verliere. Das war auch der Tenor der Wortmeldungen aus dem Publikum: Der Pfarrgemeinde ihre Identität zu nehmen, sei ein No-go. Unklar sei auch die Haltung des Vatikans. Rom fordere ein, vor Ort und möglichst kleinteilig ausgestellt zu sein. Ob das Bistum Aachen grünes Licht aus Rom habe, sei völlig offen.