Räume in Krebsklinik wieder freigegeben
Die Staatsanwaltschaft hat das Siegel an der Praxis des Heilpraktikers in Bracht entfernt. Er darf weiterhin nicht praktizieren. In den Niederlanden werden Angehörige verstorbener Patienten derzeit um Zustimmung zur Exhumierung gebeten
Brüggen. Das Siegel an der Tür des Biologischen Krebszentrums in Bracht ist verschwunden. Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft gestern bestätigte, habe dies seine Richtigkeit: „Wir haben die Räume freigegeben.“ Weiterhin ist die Praxis aber geschlossen. Der Heilpraktiker, der sie führte, darf derzeit nicht praktizieren. Der Kreis Viersen hatte ihm zumindest bis zum Abschluss der Ermittlungen die Tätigkeit im Kreisgebiet untersagt. Ende Juli starben nach der Behandlung in dem Krebszentrum drei Menschen — eine Niederländerin (43), ein Niederländer (55) sowie eine Belgierin (55). Zwei weitere Patienten kamen wegen lebensbedrohlicher Beschwerden ins Krankenhaus.
Die Staatsanwaltschaft hatte Ende Juli im Beisein der Amtsärztin und des Amtsapothekers des Kreises in der Praxis Patientenakten beschlagnahmt, in den folgenden Tagen riefen Gesundheitsamt sowie niederländische und deutsche Polizeibehörden ehemalige Patienten dazu auf, sich dringend zu melden. Am Donnerstag nun war bekanntgeworden, dass die Ermittlungen auf insgesamt etwa 70 Todesfälle ausgeweitet worden seien. Unklar ist, woher die 70 Patienten kamen. Die niederländische Zeitung „De Telegraaf“ berichtet, dass es sich um 70 Niederländer handele, während das ARD-Magazin „Brisant“ von 50 Niederländern sowie Belgiern, Schweden und Italienern sprach. Medienberichten zufolge kann es sein, dass im Zuge der Ermittlungen verstorbene Patienten des Krebszentrums exhumiert und obduziert werden, um herauszufinden, woran sie starben: An ihrer schweren Krankheit oder durch die Behandlung mit dem umstrittenen Mittel 3-Bromopyruvat, das möglicherweise in der Brachter Klinik eingesetzt wurde.
Während die Staatsanwaltschaft Krefeld die strafrechtliche Untersuchung führt, versuchen niederländische Ermittler und Pathologen, der Todesursache der 70 Verstorbenen auf den Grund zu gehen, so berichtet „De Telegraaf“. Sollten ehemalige Patienten exhumiert und obduziert werden, müssten Angehörige dazu ihr Einverständnis geben. Hunderte Niederländer, deren Familienmitglieder im Krebszentrum behandelt wurden, müssten dazu befragt werden, heißt es weiter.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Heilpraktiker wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung in mehreren Fällen.
Unterdessen fordert die FDP im Kreis Viersen die lückenlose Aufklärung der Todesfälle. „Scheinbar konnte der Heilpraktiker über Jahre unbehelligt schwerstkranke Patienten mit nicht zugelassenen Mitteln behandeln. Die Dimension des Ausmaßes, die langsam ans Licht kommt, macht betroffen. Wir sind den Opfern und den Angehörigen eine lückenlose Aufklärung schuldig. Es muss überprüft werden, welche Kontrollinstrumente versagt haben und wie solche Tragödien in Zukunft verhindert werden können. Schon jetzt ist bei Betrachtung der Rechtslage erkennbar, dass Land und Bund in der Pflicht sind, endlich einheitliche Standards für die Ausbildung und die Kontrolle von Heilpraktikern zu schaffen“, teilte Felix Grams, Mitglied im Kreis-Gesundheitsausschuss, gestern mit.
Entsprechend hat die FDP einen Dringlichkeitsantrag gestellt. Sie möchte von Landrat Andreas Coenen (CDU) unter anderem wissen, welche Überprüfungen das Kreisgesundheitsamt in den vergangenen Jahren bei dem Heilpraktiker in Bracht vorgenommen habe und welche Schlüsse man aus diesen Überprüfungen gezogen habe.
Die Fraktion fragt auch, wie viele Hinweise zu „fragwürdigen Methoden“ von Heilpraktikern das Gesundheitsamt des Kreises in den vergangenen zehn Jahren erhalten habe, wie es dem nachgegangen sei, wie viele Anträge zur Erlaubnis einer Heilpraktiker-Tätigkeit das Gesundheitsamt bewilligte und wie viele Erlaubnisse es wieder einzog — und wenn ja, warum?
Im Biologischen Krebszentrum Bracht wurde nicht nur die Behandlung von Krebs angeboten. Auf der Internetseite wirbt das Zentrum mit Angeboten im ästhetisch-kosmetischen Bereich, darunter Hyaluron-Behandlungen gegen Denkerfalten oder für mehr Lippenvolumen, Fadenlifting und Fett-Weg-Spritzen sowie die Einspritzung pflanzlicher Proteine ins Fettgewebe, etwa in Reiterhosen oder Tränensäcke.