Hochschule: Hetze gegen Schwule?

Ein Professor soll in einer Vorlesung Homosexuelle als „krank“ bezeichnet haben. Einige Studenten protestieren öffentlich.

Niederrhein. Mittagszeit auf dem Campus Mönchengladbach der Hochschule Niederrhein: Hungrige Studenten strömen zur Mensa. Der kleine Platz vor dem Gebäude ist gegen 12Uhr ein guter Ort, um viel Aufmerksamkeit zu erregen. Besonders dann, wenn man - in weißen Ganzkörperanzügen, mit Atemmasken und Handschuhen - immer wieder "Achtung, Ansteckungsgefahr - gegen Diskriminierung an unserer Hochschule" ruft.

Im Rahmen dieser "Performance" verteilten am Dienstag vier Studenten "Aufklärungs-Flyer", um auf "Missstände" an der Hochschule hinzuweisen, wie das "Informations- und Aktionsbüro HSNR brennt!" im Vorfeld angekündigt hatte.

Inhalt des Flyers: massive Vorwürfe gegen einen Dozenten der Hochschule wegen angeblicher Äußerungen, die unter anderem Homosexuelle diskriminieren. Diese soll er auch im Unterricht getätigt haben - vor über einem Jahr.

"Die Hochschulleitung wurde informiert und führte Gespräche mit dem Dozenten, den Studierenden und dem Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta), in denen sich die Situation zusehends verhärtete", so das "Informations- und Aktionsbüro".

"Das Rektorat sah diese Personalie betreffend aber auch nach über einem Jahr noch keinerlei Handlungsbedarf", lautet die Erklärung für die gestrige Aktion.

Die Lage ist unübersichtlich, was nicht zuletzt daran liegt, dass nicht alle, die nun den öffentlichen Protest organisieren, Ohrenzeugen der verschiedenen angeblichen Äußerungen waren. Nach Recherchen der WZ soll Folgendes passiert sein: Während einer Vorlesung im Oktober 2008 soll der Dozent gesagt haben, Homosexuelle seien "krank" - und diese Aussage soll er dann unkommentiert so stehengelassen haben.

Das sagt eine 23-jährige Studentin im Fachbereich Sozialwesen, die in dieser Veranstaltung im Oktober 2008 saß. Nach Angaben aus der Studentenschaft haben nicht alle Zuhörer diese Aussage kritisch aufgenommen. Manche hätten sich in ihre Lern-Unterlagen einfach "homosexuell=krank" notiert, ist zu hören.

Mehrere Studenten hätten daraufhin, etwa eine Woche später, das Gespräch mit dem Dozenten gesucht, so die 23-Jährige, die damals im ersten Semester war. Der Professor habe darin folgende Erklärung für seine Behauptung geliefert: "Homosexuelle sind krank, weil sie nicht der Selbst- und Arterhaltung dienen." Außerdem soll er behauptet haben, dass er Therapien anbiete und schon sehr viele Homosexuelle zu ihm gekommen seien, die er "geheilt" habe.

Zum Vorwurf, er habe Homosexuelle als krank bezeichnet, sagte der Dozent im Gespräch mit der WZ, das sei "eine unzulässige Verkürzung". Zu den angeblichen Therapien lautete sein Kommentar: "Dazu beziehe ich keine Stellung, weil es zu absurd ist."

Die Hochschulleitung sieht laut Sprecher Rudolf Haupt "im Moment keinen Handlungsbedarf". Man habe im Laufe des Sommersemesters eine "Sonder-Evaluation" durchgeführt. Damit sollten die Studenten den Dozenten und seine Lehrveranstaltungen bewerten. Das Ergebnis fiel laut Haupt überdurchschnittlich gut für den Professor aus. Und: "Keinerlei Vorwürfe", wie sie derzeit kursieren, seien darin vorgekommen.

Es ist bereits die zweite Personalie innerhalb kurzer Zeit, die an der Hochschule Niederrhein für Aufregung sorgt. Erst vor wenigen Wochen hatte das Präsidium gegen einen Professor des Fachbereichs Wirtschaftsingenieurwesen und Gesundheitswesen ein Disziplinarverfahren eingeleitet: Er stehe im Verdacht, in unzulässiger Weise honorarpflichtige Weiterbildungsseminare mit Lehrveranstaltungen im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen verquickt zu haben.