Holland: Weltmeister der limburgischen Herzen
Die Niederländer haben zwar im WM-Finale gegen die Spanier verloren, doch ein Feuerwerk haben die Oranje-Fans in Roermond trotzdem abgebrannt.
Roermond. Yorick, 18, weiß ganz genau, warum er nichts auf die Voraussage von Tintenfisch Paul gibt, dass Spanien Weltmeister werden soll: "Erstens hat er beim Finale der Europameisterschaft auch daneben gelegen, das heißt, dass er keine Ahnung vom Finale hat. Und zweitens kann der ohnehin nur Deutschland-Spiele tippen."
Der junge Niederländer schaut sich das Finale auf der Stationsplein in Roermond an, die schon eine halbe Stunde vor Anpfiff orange vor lauter Menschen ist. An seiner Seite ist seine deutsche Freundin Antje, die sich zur Feier des Tages aber auch in Orange gekleidet hat und dem Nachbarland die Daumen drückt. "Die haben es einfach verdient", sagt die 16-Jährige.
"Und außerdem haben die Spanier uns rausgeworfen, die müssen jetzt nicht auch noch das Finale gewinnen."Antje ist nicht allein als "Deutsche undercover". Patrick ist auch aus Elmpt eben hinübergefahren, um "ein, zwei Bierchen zu trinken, eine Menge Spaß zu haben und zu hoffen, dass sie es schaffen".
Der Mittzwanziger trägt ebenfalls ein oranges T-Shirt. Allerdings gehört er, im Gegensatz zu Antje, die voll den Altersschnitt trifft, eher zum "alten Eisen". Es ist in Roermond genau wie an vielen Public-Viewing-Orten in Deutschland - eine WM der Jugend.
Die Jüngsten, die allein gekommen sind und bis zum Ende der Verlängerung ausharren, sind gerade zwölf. Alles jenseits der 30 darf sich getrost als Dinosaurier betrachten. Aber frei nach dem Motto "je oller, je doller" sind das genau die Menschen, die durch ihre besonders schrillen Kostüme auffallen.
In der ersten Viertelstunde nach dem Anpfiff ist es verdächtig still auf dem Bahnhofsvorplatz. Gebannt schauen mehrere tausend Menschen zum Bildschirm empor. Viele haben die Hände gefaltet, andere halten sich ein Handtuch vor das Gesicht, weil sie nicht sehen mögen, was da auf dem Platz in Johannesburg passiert.
Kurze Unruhe, weil zwei junge Spanier ihre rot-gelben Flaggen mit dem Stier vorbeitragen müssen.Während die meisten jungen Niederländer sich sehr freuen, dass auch Deutsche ihre Mannschaft mit anfeuern, gibt es im Einzelfall auch das T-Shirt: "Scheiße Deutschland, Holland ist da bei".
Xavi, Iniesta, Puyol - der Reporter des niederländischen Fernsehens muss immer wieder diese drei Namen nennen. Und plötzlich, wie aus dem Nichts, eine Riesenchance für Holland in der Nachspielzeit.Mit dieser Hoffnung und lauter Musik geht es in die Pause. Und die Musik vermag, was der Fußball vorher nicht geschafft hat: Es wird getanzt und gefeiert.Holland wird besser in der zweiten Halbzeit.
Die Menschen fiebern - und hadern mit dem Schiedsrichter. Es reckt sich mancher Mittelfinger in Richtung Leinwand, wenn es mal wieder einen gelben Karton für die Oranjes gibt.In der 116. Minute platzen alle Träume. Iniesta trifft. "Es ist vorbei", sagt der Reporter sofort - und fast jedem auf dem Bahnhofsvorplatz ist das klar. Mit dem Abpfiff schlagen viele die Hände vors Gesicht. Etwa die Hälfte der Menschen verlässt den Platz sofort. Die andern sind unentschlossen. Trauern oder feiern?
Einige verbrennen die orangefarbenen Vuvuzelas. Die meisten aber honorieren die Leistung der Elftal. Bengalische Feuer brennen, "Nederland Kampioen" singen sie und "You’ll never walk alone". Und am Ende kommt es doch noch, das Feuerwerk über Roermond, das man für den Fall der Fälle besorgt hatte. Und wenn es schon einmal da ist, dann kann man es auch abbrennen. Niederländer sind manchmal richtig pragmatisch.