Jazz-Festival: Fulminanter Big Band-Sound
Ein Teufelsgeiger, geballte Frauen-Power, zuviel Altstars in der Viersener Festhalle.
Viersen. Eine Geige kann verzaubern - auch wenn sie noch so experimentell gespielt wird. Jean Luc Ponty lebt sein Geigenspiel - und in einer vollbesetzten Festhalle waren die Zuschauer mehr als fasziniert, versanken in ihren Stühlen, um danach ekstatisch zu applaudieren. Das Viersener Jazzfestival 2008 hatte kurz vor Mitternacht am Samstag den erwarteten Höhepunkt. Der Meister des genreübergreifenden Spiels wurde seinem Ruf als Zugpferd mehr als gerecht.
Überhaupt war der zweite Tag der stärkere des Festivals. Das lag sicher an Ponty, der für eine vollbesetzte Arena gesorgt hatte. So übertrug sich die tolle Atmosphäre des altehrwürdigen Gemäuers auf die Musiker auf allen drei Bühnen. Die NDR Big Band sorgte für einen fulminanten Auftakt des zweiten Festivaltages.
Ein satter Sound erfüllte die Halle, das Zusammenspiel der Musiker unter Leitung von Jörg Achim Keller war einfach perfekt - und obendrauf sorgten die beiden Solisten Susi Hyldgaard und Nils Landgren für unterschiedliche Ausrichtungen des Big Band-Sounds. Auf der einen Seite Hyldgaards einfühlsame Stimme, auf der anderen Seite die kraftvolle Posaune Landgrens. Einfach toll.
Da hatte es anschließend Eddie Gomez mit seinem Trio schwer. Doch der Bassist schaffte es vor allem mit seinen flüssigen Läufen, das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Da wurde deutlich, warum er von Musikern wie Miles Davis oder Stan Getz als Begleiter geschätzt wurde.
Auf Bühne 2 wurde fortgesetzt, wofür das Viersener Festival bekannt ist: Bandbreite. Hier sorgten Otto Lechner und Arnaud Méthivier mit ihren Akkordeons für spannende musikalische Zwiegespräche, und dies wurde später von Saxophonist Heinz Sauer und Pianist Michael Wollny eindrucksvoll fortgeführt. Ihre Auftritte waren so gefragt, dass sie noch per Leinwand ins Foyer der Festhalle übertragen wurden.
Deutlich schlechter besucht war der erste Tag des Festivals, und Ali Haurand als künstlerischer Leiter stellte selbstkritisch fest, dass es wohl nicht so glücklich gewesen sei, mit dem Ali Rashied Quintett zu starten. Zu experimentell, befanden viele Zuschauer bei den Altstars und wanderten ab Richtung Bühne zwei, um Fay Claassen und ihren Interpretationen der Musik von Cole Porter zu lauschen.
Später erging es den New York Cookers ähnlich. Trotz des kraftvollen Spiels der allesamt weltberühmten Musiker sprang der Funke nicht wirklich über, und viele Zuschauer zog es zu Cymin Samawatie. Deren Projekt Cyminology überzeugte mit rhythmischer Musik und einfühlsam gesungener persischer Lyrik.
Musikalischer Höhepunkt des ersten Tages war aber eindeutig Rigmor Gustafsson mit ihrer Band. Eine gefühlvolle Stimme, Songs, die darauf zugeschnitten sind, und Musiker, die für eine perfekte, zurückhaltende Begleitung sorgen. Kein Wunder, dass sie am CD-Stand viele Autogramme schreiben musste.
Als erfrischend anders erwies sich an beiden Abenden die Musik von Three Fall auf Bühne drei. In der Besetzung Schlagzeug, Posaune, Saxophon brachten die drei jungen Kölner das Gewölbe im Festhallenkeller ins Wanken. Bis 2 Uhr früh am Sonntagmorgen mussten sie Zugaben spielen.