Schwalmtal: „Aufpassen muss man überall“
Was denken Kart-Fans zwei Wochen nach dem Unglück? Die WZ hörte sich um. Mit einem Kommentar von Roland Busch.
Schwalmtal. Knapp zwei Wochen nach dem tödlichen Unfall des zehnjährigen Jonas auf der Outdoor-Kartbahn am Raderberg in Schwalmtal läuft in vielen kartbegeisterten Familien und auf den Kartbahnen im Umland alles so, als wäre nie etwas geschehen. Der Betreiber der Mönchengladbacher "Kartarena" hat keine Zeit für ein Interview, weil gerade eine Großveranstaltung mit mehreren hundert Menschen beginnt.
Ingrid Kroese, Mutter des knapp elfjährigen Mario, hat lange über das Unglück nachgedacht, sich immer wieder die Filme angesehen, in denen ihr Sohn im späteren Unglückskart mit der Nummer 16 am Raderberg seine Runden dreht.
Aber sie wird wieder fahren und ihr Sohn auch. "Aufpassen muss man immer und überall", sagt die Niederkrüchtenerin.
"Radfahren in der City ist wahrscheinlich sogar gefährlicher, weil man da auf viel mehr Eindrücke gleichzeitig achten muss", meint sie. Auch beim Mofa-Führerschein hätte sie mehr Bedenken als bei der Rennlizenz für Mario. "Man muss das Kind auf alles gut vorbereiten", sagt sie.
Entscheidend sei, wie das Kind mit den Eindrücken beim Kartfahren umgehe. "Wie es auch einem möglichen Gruppendruck standhält, wenn alle anderen drumherum cool sein wollen und schneller in die Kurven gehen." Da seien eben die Eltern und die Erziehung gefragt.
Die Verantwortung der Eltern unterstreicht auch Konny Pesch, Mitbetreiberin des Krefelder "F1-Kartings". Dort läuft der Betrieb auch ungebrochen weiter. "Aber wir haben uns seit dem Start vor 13 Jahren immer die Sicherheit auf unsere Fahnen geschrieben", erzählt sie - selbst Mutter und Großmutter. "Bei uns darf kein Kind unter zehn Jahren fahren, von zehn bis 16 ist der Fahrerlehrgang vorher Pflicht."
Überhaupt komme niemand ohne Einweisung und die richtige Kleidung auf die Bahn. "Dann guckt das Personal noch mal, ob die Haare auch nicht flattern und kein Schal weht." Sie hat schon viele uneinsichtige Eltern erlebt: "Da wollte eine Mutter einen Sechsjährigen fahren lassen, andere Eltern hatten fremde Kinder dabei. So etwas gibt es bei uns nicht." Denn, darin ist sie sich mit Mutter Ingrid Kroese einig: "Es ist ein Sport, es ist Motorsport und nicht irgendeine halbherzige Freizeitbeschäftigung."
Konny Pesch weist auch auf den Unterschied zwischen Indoor- und Outdoor-Bahnen hin. Das könne man vom Anspruch an das fahrerische Können nicht vergleichen, ist sie überzeugt.
Diesen Unterschied machen auch die deutschen Gesetze. Weil Indoor-Karting ein Freizeitvergnügen für jedermann, vor allem auch bei Firmenveranstaltungen ist, gibt es hier viel mehr Regeln. Ob daran die angekündigte EU-Richtlinie etwas ändern wird, daran hat man bei der Bezirksregierung Zweifel. Die Behörden wollen in Zukunft nach Kräften zusammenarbeiten, auch ohne dass man es ihnen per Gesetz befiehlt.
Ein Junge ist tot. Es ist müßig zu fragen, ob es erst so weit kommenmusste. Wie es auch eine Binsenweisheit ist, dass man nachher immerschlauer ist.
Aber der Fall Kartbahn lässt doch den Glauben in die deutschenAufsichtsbehörden schwinden. In einer Angelegenheit, in der ein Menschsein Leben verloren hat, soll niemand zuständig gewesen sein?
Man kann nicht allgegenwärtig sein. Nicht alle Unglücke könnenverhindert werden. Aber wenn es eine Panne gegeben hat, muss sieuntersucht werden. Und dann müssen Konsequenzen gezogen werden,notfalls Köpfe rollen.
Auf jeder Kirmes ist der TÜV allgegenwärtig. Jedes Kinderkarusselleines Schaustellerbetriebes wird genauestens unter die Lupe genommen,bevor es auf dem Rummel seine Runden drehen darf. Und eine Kartbahn, wokleine Geschosse mit bis zu 80Stundenkilometern unterwegs sind,unterliegt keinerlei Aufsicht?
Wo ist der Aufschrei der Politik, die sonst bei jedem Zwischenfallnach schärferen Gesetzen ruft? Bezirksregierung und Kreis Viersenwollen sich nicht mehr gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben,haben die Behörden erklärt. Richtig so. Aber sie sollen endlich ihreHausaufgaben machen. Wer bei uns einen wie auch immer geartetenFreizeitpark nutzt, muss davon ausgehen, dass alleSicherheitsvorkehrungen getroffen sind. Und dass sie von einer Behördeabgenommen wurden.