Serie: Hilfe aus Tönisvorst (3) „Wir brauchen in diesen Ländern eine neue Männerrolle“

Tönisvorst. · Action Medeor ist mit Entwicklungshilfe auf drei Kontinenten aktiv. Susanne Schmitz betreut Lateinamerika.

 Susanne Schmitz (Mitte) und Christoph Bonsmann (2. v. re.) von Action Medeor in Guatemala.

Susanne Schmitz (Mitte) und Christoph Bonsmann (2. v. re.) von Action Medeor in Guatemala.

Foto: Action Medeor

Action Medeor ist bekannt als die „Notapotheke der Welt“. Doch es gibt auch Projekte der Vorster, die nicht unmittelbar mit der Lieferung von Medikamenten zu tun haben. Dabei bestehen auf drei Kontinenten Aktivitäten, mit denen das Leben der Menschen verbessert werden soll: Die Entwicklungshelfer sind in Asien, Afrika und Lateinamerika aktiv. Wobei allerdings das Wort „Entwicklungshilfe“ heute obsolet ist. Vielmehr handelt es sich um „Entwicklungszusammenarbeit“, wie Action Medeor betont.

Denn die Aktionen werden vor allem von Partnern vor Ort ausgeführt. Es soll ausdrücklich nicht der weiße Europäer sein, der auftritt und den Menschen die Welt erklärt. Vielmehr steht Action Medeor mit Rat und Tat zur Seite und unterstützt Vereine und Organisationen aus den jeweiligen Ländern.

In Lateinamerika spielt sich das vor allem in drei Ländern ab: in Haiti, Kolumbien und Guatemala. „Wir arbeiten in allen Ländern mit Organisationen zusammen, die seit vielen Jahren bestehen. Manchmal sind es auch Diözesen. In Kolumbien sind es drei, in Guatemala und in Haiti jeweils eine“, erläutert Susanne Schmitz. Sie ist Regionalleiterin für den Bereich Lateinamerika bei der Hilfsorganisation.

„Wir sind vor allem in den Regionen aktiv, die von staatlichen Programmen wenig profitieren. Der größte Teil unserer Zielbevölkerung ist indigen“, sagt sie. Dabei stehen vor allem Frauen- und Müttergesundheit im Mittelpunkt. „Gerade bei Geburten gibt es eine hohe Sterblichkeit. Auch Gewalt spielt eine Rolle. Wir brauchen in diesen Ländern eine neue Männerrolle“, fährt sie fort. „Gewalt gegen Frauen ist ein Thema. Aber am wichtigsten ist: Rund die Hälfte der Frauen hat keinen Zugang zu einem richtigen Kreißsaal. Staatliche Gesundheitssysteme bieten in diesen Regionen keine Möglichkeiten, private Kliniken sind zu teuer.“

Auch in Lateinamerika
begegnet man dem Thema Flucht

Und die Helfer haben stets mit den politischen Problemen der jeweiligen Länder zu tun. In Brasilien und Guatemala haben rechtspopulistische Regierungen die Macht übernommen. Dort gab es nach dem Bürgerkrieg große Hoffnung, als durch die Friedensverträge von Verfassungsrang die Rechte der Indios gestärkt wurden. „Aber in den vergangenen Jahren hat sich die Lage wieder verschlechtert“, so die Expertin, die einst 15 Monate dort verbrachte. In den anderen beiden Einsatzländern von Action Medeor in Lateinamerika ist die politische Lage ebenfalls prekär. Haiti ist seit Jahrzehnten instabil, und in Kolumbien wird ein großer Teil des Landes von Drogenbaronen und sogenannten Warlords kontrolliert. „Wir sind sowohl im Nordwesten als auch im Süden des Landes aktiv“, sagt Schmitz. Und auch in Lateinamerika begegnet man dem Thema Flucht. In Kolumbien etwa landen viele Geflüchtete aus Venezuela.

„In Venezuela herrscht seit Jahren ein politischer Krisenzustand, darunter ist das Gesundheitssystem praktisch zusammengebrochen“, berichtet Schmitz. „Die Menschen flüchten nach Kolumbien, in ein Land, das selbst sehr viele Binnenflüchtlinge hat. Sie bilden dann dort die unterste soziale Schicht“, sagt sie. Die Mitarbeiter von Action Medeor helfen diesen Menschen mit medizinischer Versorgung, aber auch mit Rechts- und Sozialberatung.

 Ob Kolumbien, Guatemala oder Haiti – Action Medor wird weiter in den Ländern aktiv sein. Nicht nur im Falle von Katastrophen, wie Hurrikans oder dem Erdbeben in Haiti im Jahr 2010, sondern 365 Tage im Jahr. Damit auch in diesen Regionen die Menschen Chancen haben, mit Bildung, guter Ernährung und medizinischer Versorgung ein gutes Leben zu führen.