Anrath Anrather Schüler lernen Braille-Schrift kennen

Anrath. · Bei einem Leseprojekt trafen sich die Schüler mit Mitgliedern eines Blindenvereins.

Interessiert lassen sich die Zweit- und Drittklässler der Albert-Schweitzer-Schule von den Mitgliedern des Krefelder Blindenvereins die Braille-Schrift erklären.

Foto: Wolfgang Kaiser

„Das ist unser Alphabet“, sagt Beate Pogorzelsay und verteilt an die acht Zweit- und Drittklässler der Albert-Schweitzer-Grundschule weiße Blätter, in die kleine Löcher gestanzt sind. Kinderfinger fahren vorsichtig über die Ausstanzungen, wobei Francesco die Augen schließt. „Wenn man sich ganz auf die Punkte konzentriert, fühlt man viel besser die Unterschiede“, bemerkt der Grundschüler. Bei den Buchstaben aus dem jeweiligen Punktmuster – wobei sechs Punkte so unterschiedlich angeordnet werden, dass sie das gesamte Alphabet abbilden – handelt es sich um die sogenannte Braille-Schrift. Erfunden von Louis Braille, der selber blind war.

Mit der Schrift haben sich die acht Grundschüler schon im Rahmen ihres OGS-Projektes auseinandergesetzt. Unter dem Titel „Punktgenaues Lesen“ entschieden sie sich für ein Projekt der aktiven Leseförderung, das die Lese- und Literaturpädagogin Anja Kuypers in der Albert-Schweitzer-Schule anbietet. Wobei es nicht einfach um das Lesen an sich geht. Kuypers lässt die Grundschüler Buchinhalte erleben. So beschäftigten sich die Kinder nicht nur mit kindgerechten Büchern zu dem Thema, sondern lernten auch die Blindenschrift kennen. Zudem organisierte die Anratherin den Besuch vom Blinden- und Sehbehindertenverein (BSV) Krefeld.

Susanne Hennings vom BSV erklärt unterdessen ihre Blindenschreibmaschine und demonstriert das Lesen und Schreiben der Braille-Schrift. Neugierig beobachten die Kinder, wie Hennings ein etwas dickeres Blatt Papier in die Schablone spannt, zu einem Kugelstift greift und mit diesem kleine Löcher in das Papier stanzt. „Wir lesen von links nach rechts. Aber wir schreiben von rechts nach links“, erklärt sie den aufmerksamen Zuhörern.

Während sie schreibt, berichtet sie von ihrer eigenen Erblindung, die im Alter von drei Jahren mit einer Augenentzündung begann, die damals nicht entsprechend behandelt werden konnte, weil es die Medikamente dazu noch nicht gab. Die jungen Zuhörer erfahren von der Blindenschule, die Hennings besuchte und wo sie ihr Abitur machte, um danach an einer Regeluniversität Jura zu studieren. Bis zu ihrer Pensionierung war sie Richterin am Krefelder Gericht in Sachen Zivilrecht.

Wie man eine Uhr lesen kann, wenn man blind ist, was es mit dem Langstock auf sich hat und warum an seinem Ende eine Kugel befestigt ist, welche Hilfsmittel es gibt, welche Aufgaben ein Blindenhund übernimmt – das Thema Blindheit als auch Sehbehinderung wird auf verschiedene Weise näher an die Grundschüler herangetragen. „Uns ist es wichtig, Menschen für das Thema zu sensibilisieren und Hemmschwellen abzubauen“, sagt Werner Schibalski, der als „sehender Helfer“ dem Verein angehört.

Dass sich die Grundschüler so intensiv mit dem Thema auseinandersetzen können, verdanken sie unter anderem dem Anrather Verein „Gutes beginnt im Kleinen“. Dank dem Verein konnte Kuypers passende Kinderbücher sowie Fachliteratur zu Louis Braille und diverses Material wie Brailleschablonen, Tastdomino und eine Übersichtstafel in Braille kaufen.