Flüchtlinge Anwohner-Bedenken: Lärm und Belästigung in den 90ern

Nachbarn der Industriestraße in St. Tönis haben vor 20 Jahren schlechte Erfahrungen mit einer Container-Unterkunft in der Nähe gemacht.

Foto: Dirk Jochmann

St. Tönis. Erst auf Nachfrage des fraktionslosen Lars Tutt rückte im Liegenschaftsausschuss der städtische Fachbereichsleiter Marcus Beyer mit den möglichen Aufnahmezahlen heraus: „Es geht in Richtung 130, man könnte aber dort auch bis zu 180 Flüchtlinge unterbringen.“ Raunen auf der Empore des Ratssaales.

Etwa 30 Anwohner waren gekommen, um ihren Protest gegen die beabsichtigte große Sammelunterkunft zum Ausdruck zu bringen. Wie die WZ bereits am Mittwoch berichtet hat, soll der Rat am 18. Juni darüber entscheiden, ob für diese zentrale Unterbringung die seit langem leer stehenden Büros der ehemaligen Europa-Zentrale von Daihatsu an der Industriestraße angemietet werden sollen. Der Eigentümer ist bereit, die entsprechenden Umbauten vorzunehmen.

In Anbetracht der prekären Situation und der fehlenden Plätze stellte in der Sitzung Marcus Beyer klar: „Wir werden an einem zentralen Standort nicht mehr vorbei kommen.“ Und da nach neuester Gesetzeslage auch dafür gewerbliche Immobilien infrage kommen, sei dieser Schritt, so Beyer, in einer Übergangszeit, bis man sich für Container oder für einen Bau, entweder massiv oder durch einzelne Module, entschieden habe, unumgänglich. Das ehemalige Daihatsu-Gebäude sei in einem sehr guten Zustand, das Mietangebot des Eigentümers moderat.

Konkret ging es dann im nichtöffentlichen Teil weiter. Für die SPD kündigte Joachim Kremser bereits an, darüber erst noch in den Fraktion zu reden. „Wir müssen jetzt schnell handeln“, so Peter Lambertz (UWT).

Öffentlich schilderten den Pressevertretern nach der Sitzung die Anwohner von Industriestraße und benachbarter Straßenzüge ihre Ängste, wollten aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ihre Namen in der Zeitung lesen. Die Anwohner, die sich davon distanzierten, ausländer- oder flüchtlingsfeindlich zu sein, erzählten ihre Erfahrungen. Diese machten sie bereits in den 90-er Jahren mit Flüchtlingen, die nur etwa 150 Meter entfernt in Containern auf dem DRK-Gelände auf engstem Raum und nach eigenem Bekunden ohne eine größere Betreuung „gelebt“ hätten.

„Der Lärm war enorm. Es ist auch zu sexuellen Belästigungen und Übergriffen gekommen“, sagte eine etwa 50-Jährige. „Ich habe selbst gesehen, wie sich damals einige weibliche Flüchtlinge prostituiert haben“, erklärte die Nachbarin.

Solch eine Sammelunterkunft wäre für eine menschenwürdige Unterbringung total ungeeignet und eine nicht zu akzeptierende Lösung. Auswüchse und auch Eskalationen untereinander seien programmiert. An dem Gespräch beteiligten sich Handwerker, die einst in den Daihatsu-Büros gearbeitet hatten. Sie bezweifelten, dass dort für 130 bis 180 Flüchtlinge ausreichende Wohnplätze zur Verfügung gestellt werden könnten.