Baum fällt um: Niemand will haften
Von städtischem Grund kippte die Kirsche auf ein Anwesen in Schiefbahn.
Schiefbahn. „Wenn da jemand gestanden hätte . . .“ Friedrich Harig spricht den Satz nicht zu Ende, der Gedanke ist erschreckend genug. Was ist geschehen? Als der Rentner, der mit seiner Frau Margret in Knickelsdorf wohnt, am 7. Februar am Nachmittag in seinen Garten schaute, stellte er fest, dass von dem unmittelbar angrenzenden Wäldchen ein Baum auf sein Grundstück gefallen war. Wer ist für den Baumbestand in dem Wäldchen verantwortlich? Wer haftet für den Schaden? Diese Fragen bekommt Harig nicht zu seiner Zufriedenheit beantwortet, weshalb er einen Rechtsanwalt eingeschaltet hat.
Der Reihe nach. Zunächst lief die Angelegenheit ganz geregelt weiter. „Ich habe bei der Stadt angerufen und schon am nächsten Tag war ein ganzer Arbeitstrupp da, der den Baum zerlegt und abtransportiert hat“, erzählt der Schiefbahner. Einen Tag später sei nochmal jemand dort gewesen, habe sich davon überzeugt, dass alles gut weggeräumt sei. „Sogar eine Försterin war hier und hat Bäume markiert, die wohl weggemacht werden sollen“, so Harig.
Jetzt ging’s also nur noch um die Behebung des Schadens, der Zaun und das Türchen sind kaputt, Kosten: 604,52 Euro. Der Rentner telefonierte mit der Stadt, bekam immer wieder die Antwort: „Ich leite es weiter.“ Schließlich kam ein Bescheid, dass die Unterlagen an die Haftpflicht weitergegeben worden seien.
Das Ehepaar möge sich an diese wenden. Friedrich Harig reichte die Rechnung ein, machte darauf aufmerksam, dass möglicherweise weitere Bäume nicht standsicher seien — und bekam zu seiner Überraschung eine Absage. „Allgemeines Lebensrisiko“ hieß es von der GVV Kommunalversicherung. Die Bäume seien regelmäßig kontrolliert worden, der Gesetzgeber fordere weder ein Besteigen der Bäume noch eine Untersuchung durch Forstspezialisten.
Ein weiterer Einspruch von Harig blieb ohne Erfolg. Der Bestand sei im Jahr 2009 durchforstet worden und jetzt wieder an der Reihe. Die umgefallene Kirsche habe vor fünf Jahren keine Auffälligkeit gezeigt.
„Muss jeder, der an einem Wald wohnt, damit rechnen, dass ihm ein Baum auf den Kopf fällt?“, fragt sich Harig. Und: „Wieso muss ich mich mit der Versicherung auseinandersetzen, wenn noch gar nicht klar ist, ob diese überhaupt zahlt? Ist das nicht Sache der Stadt?“
„Es ist üblich, dass wir solche Sachen an die Versicherung weitergeben“, sagt Andreas Hans, Bereichsleiter Landschaft und Straßen bei der Stadt Willich. „Wenn das dort abgelehnt wird, können wir auch nichts machen“, bedauert er. Das sei eben das Risiko, wenn man am Wald wohne. Mit der Vermittlung der Ablehnung ist Bürgermeister Josef Heyes nicht einverstanden. „Das muss man dem Bürger vernünftig erklären. Ich rufe den Mann sofort an“, kündigt er an.