Buch-Tipp der Stadtbücherei Tönisvorst Staubtrockener Humor und ein schräger Heiratsantrag

Tönisvorst · Carmen Alonso, die Leiterin der Tönisvorster Stadtbücherei, gibt unseren Lesern Literaturtipps. Diesmal: „Treue Seele“ von Castle Freeman.

 Carmen Alonso, die Leiterin der Stadtbibliothek Tönisvorst, gibt Literatur-Tipps.

Carmen Alonso, die Leiterin der Stadtbibliothek Tönisvorst, gibt Literatur-Tipps.

Foto: Marc Schütz

Peter Conway, genannt Port, ist in ein kleines Nest irgendwo in Vermont gezogen, in den Nordosten der USA. Dort hat er das Haus seines Onkels geerbt, und dort plant er seinen Lebensabend zu verbringen. Als erstes lässt er sich bei der anstehenden Volkszählung einteilen; er hat diese Aufgabe bereits in anderen Bundesstaaten übernommen, nun halt Vermont. Es geht von Tür zu Tür, aber nicht überall wird er freundlich empfangen: Da ist Arthur Bennett, Besitzer eines kleinen Sägewerkes, der ihn rüde von seinem Grundstück weist, auf dem er keine „Regierungsspitzel“ sehen will. Port reagiert gelassen und kündigt lakonisch an, dann eben bei der nächsten Volkszählung in zehn Jahren wieder auf der Matte zu stehen; bei dieser denkwürdigen Gelegenheit lernt er auch die Tochter des Grobians kennen, Lucy, ein bereits erstaunlich charakterstarkes 14-Jähriges Mädchen.

Die Jahre vergehen, und Port hat sich mit Cliff angefreundet, einem eher schlichten Gemüt, der ihm gegen Bezahlung bei der Renovierung seines Hauses hilft. Die beiden könnten in Wesen, Grips und Lebenserfahrung nicht unterschiedlicher sein, verstehen sich aber bestens und führen Gespräche voller Humor und Lebensklugheit. Wie Enten auf dem Teich: quak-quak-quak den ganzen Tag – so jedenfalls sieht es Connie, Cliffs Ehefrau. Sie ist nebenbei auch die Halbschwester von Lucy, und so erfährt man, wie diese sich zu einer bildhübschen jungen Frau entwickelt hat, die alle mit ihrer Ausstrahlung blendet. Lucy wohnt jetzt bei Halbschwester und Schwager, ihr Vater, der Sägewerkbesitzer scheint den Behörden als Erziehungsberechtigter nicht länger geeignet.

Weitere Jahre gehen ins Land, und man beobachtet voller Empathie das Leben der Hauptfiguren: Cliff hat einen Herzinfarkt, bleibt aber glücklicherweise auf der „richtigen Seite“ des Rasens; Lucy hat bereits nach sechs Wochen das College wieder verlassen, die Leute dort saufen ihr einfach zu viel, das kann man auch zu Hause.

Die nächste Volkszählung steht an, wieder ist Port unterwegs von Haus zu Haus. Wieder besucht er Arthur Bennett, und wieder gibt es nicht die eingeforderten Auskünfte.

Immer wieder treffen Port und Lucy aufeinander, und immer scheint die Chemie nicht zu stimmen. Und doch ist Port immer zur Stelle, wenn Lucy in Schwierigkeiten gerät: Ein Autounfall -– Port hilft; ein neuer Freund mit dicker Strafakte – Port hilft; Drogen, die so neu sind, dass sie noch keinen Namen haben – Port hilft.

Erzählt wird dieser gute Laune machende Roman erfrischend und lebendig, die Dialoge der schrulligen Figuren sind pointiert und geradezu filmreif. Zusätzliches Tempo gewinnt die Geschichte dadurch, dass die Kapitel abwechselnd aus Sicht von Port, von Cliff und von Ehefrau Connie erzählt werden. Am Ende erhält das Buch sogar noch einen kriminalistischen Dreh, denn es handelt sich um einen (in sich abgeschlossenen!) Teil aus der Reihe um Kult-Sheriff Lucian Wing. Dieser spielt zwar in diesem Band nur eine kleine, dafür aber entscheidende Rolle. Kein Grund für Hektik und Stress, einfach abwarten – und nur vielleicht ein klein wenig nachhelfen ...

Autor Castle Freeman (Jahrgang 1944), geboren in Texas, zog 1972 nach Vermont, wo er das Thema fand, das ihn seither bis heute beschäftigt: In seinen bisher vier Krimis um Sheriff Lucian Wing porträtiert er geradezu liebevoll und mit viel Humor Neuengland und seine Bewohner.