Anrath Mitmenschlichkeit ganz praktisch

Anrath · Der Anrather Bürgerbusverein feiert demnächst seinen 150.000 Fahrgast - eine bemerkenswerte Leistung in den 18 Jahren seiner Existenz.

 Der Vorstand: Matthias Zeies, Dieter Windhausen, Patrizia Ohlenforst-Jakobi, Rudolf Simonis und Albert Stauten.

Der Vorstand: Matthias Zeies, Dieter Windhausen, Patrizia Ohlenforst-Jakobi, Rudolf Simonis und Albert Stauten.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Am 13, März 2003 wurde der Bürgerbusverein Anrath gegründet. „Ein halbes Jahr später bin ich dazugekommen“, sagt der heutige Vorsitzende des Vereins, Matthias Zeies. Damals bestand der Bürgerbusverein Sankt Tönis seit drei Jahren — der Auslöser für die Anrather, es ihnen gleich zu tun.

Konzessionsträger sind die Stadtwerke Krefeld. „Wir fahren die Nebenlinien, wo sie nicht fahren. Wir sind da keine Konkurrenz, sondern Zulieferer“ – und das im wortwörtliche Sinne, da sie ihre Kundinnen und Kunden zu den jeweiligen Haltepunkten fahren.“ Die Streckenführung habe man seit Bestehen des Vereins nur zweimal verändert. Die Busse werden bei den Stadtwerken gewartet und repariert, wenn es notwendig ist. „Und die Fahrer werden dort auch ausgebildet und geprüft.“

Seit 2008 verzeichnet der Verein eine Frequenz von 10 000 Fahrgästen. „Mal mehr, mal weniger“ sagt der 73-jährige frühere Planungsingenieur, der auch regelmäßig zu seinen Zeiten jeden Montag hinter dem Kutschbock sitzt. „Jetzt wegen Corona sind es aktuell nur noch die Hälfte, weil die Senioren nicht die Masken tragen wollen.“

Der Anrather Bürgerbusverein ist der Älteste der Stadt. Willich kam zwei Jahre später dazu. Und Schiefbahn hat seine Arbeit vor zwei Jahren aufgenommen. Dann kam die Corona-Pandemie. „Die kommen fahrgastmäßig nicht auf die Füße“, ist sein Eindruck.

Bei den Fahrten befördert der Verein „überwiegend ältere Herrschaften, meistens Frauen.“ Da die Fahrer Hilfestellung leisten, können die Frauen auch mal mit vier Tüten vom Einkauf kommen.  Zu Coronazeiten ist das schwieriger, die Fahrerkabine ist geschlossen. Und die Kunden haben Maskenpflicht. „Aber wenn da jemand nicht mit der Gehhilfe klarkommt, helfen wir.“

Patricia Ohlenforst-Jacobi ist seit März 2019 als Nachfolgerin von „Charly“ Hübner Geschäftsführerin der Bürgerbusse in Anrath, Schiefbahn und Willich. Ihre Aufgaben sind vielfältig – von der Beantragung von Routen und Haltestellenänderungen, über versicherungstechnische Fragen und der Erarbeitung von Konzepten zur Stärkung der Bürgerbusse hin bis zur Beantragung und Umsetzung von Förderprogrammen oder der Abwicklung von Unfallmeldungen.

Für die Älteren bedeutet der Bürgerbus Mobilität

Sie unterstreicht die Bedeutung, die den Bürgerbussen zukommt. „Überall dort, wo der normale ÖPNV nicht wirtschaftlich tragbar ist und die großen Busse nicht fahren können, da sichert der Bürgerbus Mobilität. Die sind viel wendiger, im Außenbereich tragen sich große Busse nicht. Ältere Menschen können so am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.“

Das Besondere an den Bürgerbus sei, „dass die nicht nur gefahren werden, sondern die Fahrer für die Gäste mitdenken.“ Dabei denkt sie an Dinge wie der Hilfe beim Einstieg, wenn der Rollator verstaut werden muss. „Da helfen unsere ehrenamtlichen Fahrer gerne.“ Der Service sei ein kleiner, aber wichtiger Mosaikstein. „Wenn Sie an die Mobilitätswende denken, halte ich so einen selbst tragenden Bürgerbusvereine für keine schlechte Lösung.“

Man tue immer das Mögliche, um den Kunden die Fahrt und die Umstände zu erleichtern,sagt Ohlenforst-Jakobi. Als besondere Innovation für die Wartenden empfindet sie die Stehhilfen an den Haltestellen - ein Metallgestell mit speziell veredeltem Holz, wo sich Kunden im Stehen sitzend ausruhen können.

In der Corona-Krise habe man für jeden der Busse und Ersatzbusse Husten- und Niesschutzscheiben anbauen lassen. Dazu kamen Sensorspender für die Händedesinfektion, Masken für die Fahrerinnen und Fahrer und Flächendesinfektionsmittel. Und es gab eine spezielle, antivirale und antibakterielle Oberflächenversiegelung. „Wir haben alles, was wir konnten, getan, um Fahrer und Fahrgäste zu schützen“, sagt die Geschäftsführerin.

Was die Anzahl der Fahrer anbetrifft, so fehlten bei allen drei Bürgerbuslinie so im Schnitt zwei Fahrer. Auch in Anrath könne man noch zusätzliche Aktive gebrauchen, sagt die Geschäftsführerin. Das bestätigt auch Matthias Zeies, der momentan 38 Fahrer zählt. Im Schnitt seien sie um die 65 Jahre alt.

Vor allen jüngere Fahrerinnen und Fahrer werden gesucht

„Da sind zwei, drei Jüngere mit dabei, die fahren aber nach 17 Uhr oder am Samstag.“ In der ganz schlimmen Coronazeit waren einige Fahrer über 70 Jahre froh, nicht fahren zu müssen. Später hatten noch viele Muffe, sagt der Vorsitzende. „Heute fahren aber achtzig Prozent der Leute wieder.“  Auch die Zuschüsse liefen weiter, die Werbeträger des Bürgerbusses hätten der Truppe die Stange gehalten.

Die Fahrergemeinschaft sei schon stark, sagt Zeies. Ab der Goldhochzeit bekommen alle Ehepaare im Verein die „Hochzeitsreise“ – eine Bustour durch Anrath – spendiert. „Einmal hatten wir drei Paare gleichzeitig im Bus, da war Halligalli“, erinnert er sich gerne. Und für die Kunden lässt man sich zum Jahresausklang auch was einfallen: am 6. Dezember fährt der Nikolaus nachmittags mit und verteilt Weckmänner.

Und am 11. und 12. Dezember gibt es dreimal – um 17 Uhr, 18.30 Uhr und 20 Uhr — eine "Lichterfahrt", wo die Bürgerbusfahrer im Vorfeld eine bestimmten Strecke zusammenstellen und dann im abgedunkelten Bus mit Familien, Kegelclubs oder Vorständen anderer Vereine mit dem „Lichtermeer“ durch Anrath fahren.

Im März nächsten Jahres wird es einen neuen, vom Land geförderten Sprinter mit acht Plätzen, spezieller Beleuchtung, automatischem Türöffner und Rollatorrampe geben, so dass auch Rollstuhlfahrer hineinfahren können. Auf das neue Gefährt freuen sich schon alle. Vielleicht kann der aktuelle Ersatzbus mit seinen 600 000 Kilometern dann ja in Rente gehen.

Am meisten rührt Zeies, wie viel Vertrauen die Menschen ihm und seinen Kollegen entgegenbringen. Als rührendstes Beispiel kommt ihm dabei eine spezielle Fahrt in den Sinn, als ihm unvermittelt eine Frau ein kleines Kind übergab mit der Bitte, es bis zur Haltestelle Königsberger Straße zu bringen. „Das habe ich in den Kindersitz gesetzt und gefahren. Es hatte dabei einen Heidenspaß.“