Corona-Folgen Auch die Festspiele haben keine Chance
Neersen · In Neersen wurde die schwere Entscheidung getroffen, das Sommertheater wegen der Corona-Krise abzusagen. Tickets sollen für 2021 ihre Gültigkeit behalten.
Eine Spielzeit 2020 der Schlossfestspiele Neersen wird es nicht geben. Dieser Entschluss ist am Donnerstag getroffen worden. Einvernehmlich zwischen Stadtspitze, Festspielverein und Intendant Jan Bodinus. „Wir haben uns alle diese Entscheidung wirklich nicht leicht gemacht“, versichert Bürgermeister Josef Heyes in einer Pressemitteilung der Stadt Willich.
Bodinus hat am Donnerstagabend sein Ensemble und die Crew informiert. Einen Tag später musste der Verzicht auf „Traum und Wahrheit“ vor dem Neersener Schloss öffentlich gemacht werden. „Das ist unsere gesellschaftliche Gesamtverantwortung für 25 000 Besucher und für die Mitarbeiter“, sagt Bodiuns, den die WZ telefonisch in Berlin erreichte.
Am Anfang der Woche gab es noch Hoffnung beim Intendanten
Das sagt er nur wenige Tage, nachdem er noch seine Hoffnung auf einen „Sommer voller Freude“ formuliert hatte. Bodinus hielt Sicht und Hoffnung auf Mitte April, darauf, dass sich nach dem Frist-Ablauf der Schul- und Kitaschließung Entspannung einstellen könnte.
Entspannung? Das Gegenteil ist gegenwärtig der Fall. Corona setzt viele Fristen außer Kraft, lähmt, kippt, durchkreuzt Pläne. Jeden Tag neuer Erkenntnisgewinn. Jeden Tag eine neue Einschätzung. Auch zum Theater.
Die Absage, Anfang der Woche gedanklich noch nicht fassbar, ist eingetreten, weil, so Bodinus, sich „leider die Situation zuletzt derart dramatisch zugespitzt hat“. Er nennt als Beispiel vor allem eine Mitte dieser Woche kommunizierte Regelung des Ministeriums für Schule und Bildung zum Umgang mit Klassen- und Studienfahrten. Demnach sind – unabhängig von der Dauer des derzeit ruhenden Schulbetriebs – in diesem Schuljahr keine Schulwanderungen und -fahrten oder ähnliches mehr zu genehmigen bzw. abzusagen. Besuche von Museen oder Theatern – und damit trifft es die Festspiele – seien bis zum Ende des Schuljahres nicht mehr möglich. „Damit entfiele schon rund ein Drittel unserer Einnahmen mit dem Kinderstück“, sagt Bodinus. Finanziell alarmierend.
Auch der Termin für den Tribünenaufbau rückte näher. Ein Kostenfaktor, der nicht unerheblich für den Festspielverein ist. Und dann: Eine Tribüne ohne Vorstellungen?
Ein weiteres Beispiel, das die Absage schließlich ohne Alternative ließ: „Was ist, wenn sich nur ein Kollege mit Corona infiziert? Dann müsste der Proben- oder Spielbetrieb für zwei Wochen für alle pausieren.“ Für Bodinus nicht kalkulierbar.
Jetzt, sagt er, könnten die Schauspieler Ausfallmittel beantragen. Viele seien bereits von stornierten Aufträgen und Absagen betroffen. Die Absage für den Neersener Sommer, den Teile des Ensembles über Jahre geradezu familiär zu schätzen gelernt haben, sei bitter und traurig für die Kollegen auf und hinter der Bühne, so Bodinus. „Aber sich jetzt anders zu entscheiden, hieße in unverantwortlich kurzsichtiger Art und Weise alles aufs Spiel zu setzen, was wir uns alle hier in Neersen seit nun über 35 Jahren zusammen mit unserem treuen und großartigen Publikum kontinuierlich aufgebaut haben.“
Bodinus wird nun erstmal nicht nach Neersen reisen (können), stattdessen die Zeit nutzen, um mit allen Kollegen über ein Engagement im Sommer 2021 zu sprechen. Denn er möchte das für 2020 geschnürte Theater-Paket mit den Stücken „Floh im Ohr“, „Doktor Dolittle und seine Tiere“, „Sommernachtstraum“ und allen weiteren Veranstaltungen als Gesamtprodukt um zwölf Monate verlegen.
In Sachen Kartenrückgabe bittet der Verein um ein wenig Geduld
Die Absage ist nun also raus. Nun geht es hinter den Kulissen an die Feinabstimmung der Ticketabwicklung. Sabine Mroch hat als Vorsitzende des veranstaltenden Festspielvereins die Bitte, dem Team der Festspiele bis zum 6. April Zeit zu geben. Dann werde man Möglichkeiten der Rückgabe, des Umtauschs oder auch der Umbuchung auf die kommende Saison finden.
Dass der Theatersommer abgesagt wird, bevor er begonnen hat, stimmt die Fangemeinde traurig. Auf der Facebookseite der Stadt Willich laufen die weinenden Emojis auf. Eine Kennerin des Kulturangebots kommentiert: „Die Schlossfestspiele Neersen sind so eine wundervolle Bereicherung für unsere Stadt und die Umgebung. Die notwendige Absage stimmt mich wirklich traurig.“
Jan Bodinus hat sich in die Online-Kommunikation eingeklinkt: „Karten behalten ihre Gültigkeit oder werden erstattet. Am tollsten wäre es, wenn alle Zuschauerinnen und Zuschauer ihre Karte für die nächste Saison umtauschen. Damit helfen sie den Festspielen.“